Mein Sommer nebenan (German Edition)
für einen Studienplatz am MIT . Was das angeht, sind wir uns ziemlich ähnlich … Genau wie er will ich auch einfach nur so schnell wie möglich von hier weg.« Sie macht eine Geste, als wolle sie den Horizont wegwischen. »Ich werde mich auch schon im Herbst an der Columbia bewerben und sobald ich nächstes Jahr den Highschool-Abschluss in der Tasche habe, lasse ich Stony Bay und Tim und Mommy und Daddy und … einfach alles hinter mir.«
»Nan …«, sage ich und zögere dann, weil ich nicht weiß, wie ich darauf reagieren soll.
»Was glaubst du, was eines Tages aus ihm wird?«, fragt Nan und nickt in Jase’ Richtung. »Ich meine, im Moment hat er zumindest rein optisch noch einiges zu bieten, aber in fünf oder zehn Jahren? Irgendwann wird er den Baumarkt von seinem Vater übernehmen, genau wie seine Eltern eine Horde Kinder in die Welt setzen und für immer in diesem Kaff festsitzen. Daniel und ich bleiben vielleicht nicht zusammen, aber … wenigstens wird er mir nicht meine Zukunft versauen.«
In mir steigt eine heiße Welle der Empörung auf. »Du kennst Jase doch überhaupt nicht, Nan!«, bricht es aus mir hervor, aber weiter komme ich nicht, weil er genau in dem Moment auf uns zuläuft, vor uns stehen bleibt und schwer atmend die Hände auf den Oberschenkeln abstützt.
»Hey, Nan. Sam. Sorry, muss erst kurz verschnaufen. Dad, Schluss für heute. Ich kann nicht mehr.«
»Noch ein Lauf«, ruft Mr Garrett. »Komm, gib noch mal alles. Ich weiß, du schaffst es.«
Jase schüttelt erschöpft den Kopf, dann sieht er uns an, zuckt mit den Achseln und watet ins Wasser zurück.
Neunundzwanzigstes Kapitel
Z ur Überraschung aller – wahrscheinlich sogar seiner eigenen – ist Tim ein echter Zugewinn für Moms Wahlkampfteam. Er beherrscht zwanzig verschiedene regionale Dialekte, mit denen er erfolgreich telefonisch Herzen gewinnt und Wähler dazu bringt, sich registrieren zu lassen. Er überzeugt einfache Leute, die an Mom glauben, Leserbriefe an ihre Lokalzeitung zu schicken und darin zu beschreiben, wie sehr sich ihr Leben dank des fürsorglichen Engagements von Senatorin Grace Reed zum Guten gewendet hat. Nach zwei Wochen schreibt er sogar schon kurze Reden für Mom. Sie und Clay können gar nicht mehr aufhören, von ihm zu schwärmen.
»Der Junge hat es wirklich drauf«, sagt Clay auf einer Autofahrt zu einer von Moms Veranstaltungen, vor der ich mich diesmal nicht drücken konnte. »Er ist intelligent und charmant. Und vor allem kann er sich blitzschnell auf Menschen einstellen.«
»Ich hab ja schon mal gesagt, dass es in der Politik vor allem darum geht, Menschen zu manipulieren«, sagt Tim nur, als ich Clays Worte später ihm gegenüber wiederhole. Wir sehen Jase dabei zu, wie er an seinem Mustang herumschraubt, der immer noch in der Einfahrt steht. Ich sitze auf der Motorhaube, über die Jase eine Decke gebreitet hat, damit der Lack – wie er etwas verlegen zugegeben hat – keine Kratzer abbekommt. Er selbst liegt unter dem Wagen und kämpft mit irgendeinem Kabelproblem. »Tja, wer hätte gedacht, dass mir meine jahrelange Erfahrung im Lügen und Betrügen und Mistbauen einmal so viel nützen würde?«, fügt Tim hinzu.
»Findest du das auch noch cool?«, fragt Jase. »Hey, Sam, kannst du mir bitte mal den Schraubenschlüssel reichen? Keine Ahnung, was der Vorbesitzer mit dem Wagen angestellt hat. Dragster-Rennen? Die Kupplung ist total verschlissen … und das Getriebe gibt im fünften Gang immer so ein fieses Jaulen von sich. Außerdem sind die ganzen Kreuzgelenke lose.«
»Kannst du das vielleicht noch mal in unserer Sprache sagen, Alter?«, fragt Tim, als ich Jase den Schraubenschlüssel reiche und plötzlich dem heftigen Bedürfnis widerstehen muss, die feinen Schweißperlen wegzuküssen, die ihm die Kehle hinabrinnen. Ich staune über mich selbst.
»Der Wagen ist in einem miesen Zustand«, übersetzt Jase. »Aber du – nimm’s bitte nicht persönlich, Sam –, du glaubst doch gar nicht an das, wofür Grace Reed sich einsetzt, Tim. Du bist noch nicht mal Republikaner. Hast du nicht das Gefühl, dass du da etwas tust, was deiner tiefsten inneren Überzeugung widerspricht?«
»Doch«, antwortet Tim leichthin. »Aber das Gefühl hatte ich bei allen Jobs, die ich bis jetzt gemacht habe. Ist nichts Neues für mich.«
Jase kommt unter dem Mustang hervor und richtet sich langsam auf. »Und damit kommst du klar? Weil … ich könnte das nicht.«
Tim zuckt mit den Achseln.
Jase streicht sich
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