Mein verräterisches Herz: Roman (German Edition)
Kinder mussten heute wieder zur Schule, und die Männer mussten zur Arbeit in den Wald – auch bei dem Schneeregen. Spiegeleier, Speck und knuspriger Toast erwarteten die Knights, als sie im Gänsemarsch die Küche betraten, wobei der verschlafene Tucker den Abschluss bildete.
»Ich will heute nicht zur Schule!«, jammerte Tucker. »Ich möchte mit dir zur Arbeit, Dad, und wieder den Skidder fahren.«
Alex lächelte seinem verdrossenen Sohn zu. »Ich fahre nicht in den Wald, Tuck. Ich hole in der Stadt Ersatzteile ab und arbeite dann im Maschinenschuppen. Einer unserer Laster muss repariert werden. Du würdest dich bloß langweilen.«
Tucker richtete seinen finsteren Blick nun auf die Eier, doch plötzlich hellte sich seine Miene auf. »Mein Fahrradschlauch könnte schon da sein. Bringst du ihn mit und tust ihn auf mein Rad?«
Alex versprach es, und während der restlichen Mahlzeit herrschte Ruhe. Man hörte nur leise Gespräche und das Klirren von Besteck und Gläsern, bis alle gegangen waren. Alex brachte die Kinder ans Ende des Weges, wo sie den Schulbus nahmen; Paul ging in den Schuppen, um den Motor des Lasters zu zerlegen, und Grady und Ethan fuhren hinaus in den Wald, um bei den Holzfällern nach dem Rechten zu sehen.
Kaum war das Haus leer, räumte Sarah sofort den Tisch ab – lächelnd, weil sie ständig daran denken musste, wie fabelhaft Alex heute ausgesehen hatte. Seine Augen hatten ihren gehetzten Blick verloren, er schien sogar schon ein bisschen zugenommen zu haben. Nur zu gern bildete sie sich ein, dass es auch ihrer guten Küche zu verdanken war, dass Alex sich von seinen schlimmen Erlebnissen erholt hatte. Die beste Medizin ist eine liebevolle Familie und gute Kost, hatte Sarahs Mutter immer behauptet.
Doch Sarahs Kochkünste hatten nicht ausgereicht, um ihre Mutter vor dem Tod zu bewahren, als Sarah vierzehn war. Auch hatten ihre herrlichen Suppen nicht vermocht, ihren Daddy nach seinem Sturz vom Dach wieder gesund zu machen. Damals war sie sechzehn gewesen. Fast neun Monate hatte sein Siechtum gedauert. Kurz vor ihrem siebzehnten Geburtstag war er schließlich gestorben. Fünf Wochen später hatte Martha Banks es geschafft, Sarah zu überreden, ihren Sohn zu heiraten.
Als Sarah die Teller in den Geschirrspüler stellte, wanderten ihre Gedanken wieder zu Alex. Er hätte genau der Typ Mann sein können, den sie sich einst als Ehemann erträumt hatte. Erst in ihrer Hochzeitsnacht mit Roland war Sarah klar geworden, dass ihr Traum von einem trauten Heim voller Kinder unerfüllt bleiben würde.
Jetzt aber hatte sie zwei liebenswerte Kinder. Und sie hatte einen Ehemann, wenn auch nur vorübergehend. Und sobald der Frühling kam, würde sie ihr eigenes Unternehmen besitzen und in ihrem eigenen Haus drei Meilen weiter am See wohnen – nahe genug, um mit den Kindern in Kontakt zu bleiben, aber auch weit genug weg, um deren Vater aus
dem Weg gehen zu können. Sarah würde also zumindest eine Zeitlang ihren Traum leben können.
Sie stieß ein verächtliches Schnauben aus, das ihr selbst galt. Alex würde sich zweifellos scheiden lassen, sobald eine Frau in der Stadt seine Aufmerksamkeit erregte und ihm klar wurde, dass er nicht mit ihr ausgehen konnte, solange er zu Hause eine Ehefrau hatte. Wahrscheinlich würde er am zweiten Januar die Scheidung einreichen – er konnte ja nicht ewig wie ein Mönch leben.
Sarah beeilte sich mit dem Frühstücksgeschirr und ging dann hinauf, um die Betten zu machen und die zwei Badezimmer zu putzen. Als sie zwei Stunden später mit einer Armladung schmutziger Handtücher wieder in die Küche kam, sah sie eine Vase mit roten Rosen auf dem Küchentisch stehen. Sie blieb wie angewurzelt stehen, ließ die Handtücher auf den Boden fallen und starrte die schönen Blumen an.
Mitten im Strauß steckte ein Kärtchen. Sie beugte sich über den Tisch, um es zu lesen, aber es befand sich in einem Umschlag. Sie trat ans Fenster über der Spüle, sah Alex eine Kiste mit Ersatzteilen in den Schuppen tragen, und ging wieder an den Tisch. Um auch nicht ein einziges Blütenblatt zu verletzen, zog sie den Umschlag mit äußerster Vorsicht heraus und öffnete ihn. Auf dem Kärtchen stand: Für das süßeste Mädchen diesseits der kanadischen Grenze.
Sie lächelte. Paul musste heute eine wichtige Verabredung haben und hatte wohl Alex gebeten, für ihn ein paar Blumen zu besorgen. Die Glückliche. Sarah schob das Kärtchen wieder in den Umschlag und steckte diesen wieder an
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