Mein verräterisches Herz: Roman (German Edition)
Fläschchen, das Paul auf den Tisch gestellt hatte, als sie Alex durch die Schwingtür bugsiert hatten. »Wir bringen ihn jetzt zu Bett.«
Eine Ewigkeit schien zu vergehen, bis Sarah an Alex’ Seite saß und sie endlich alleine waren. Der Arzt hätte eine Rippenprellung, aber keinen Bruch festgestellt, wie Paul erklärt hatte. Alex hatte außerdem sechs Stiche über einem Auge, drei angebrochene Fingerknöchel und ein dickes Knie. Sarah saß am Bett, ein Glas Wasser und zwei Schmerztabletten in der Hand.
Alex lächelte schief. »Ethan ist schon eine Nummer, wenn er tobt, findest du nicht?«, sagte er, bemüht, die Szene, die sein Bruder unten gemacht hatte, herunterzuspielen.
Sarah erschauerte.
Alex griff nach ihrer Hand. »Nimm dir seine Worte nicht zu Herzen, Sarah. Er ist dir nicht böse. Er ist wütend auf mich, weil ich meine Karre an den Baum gefahren habe; und noch wütender macht ihn der Gedanke, dass ich die Typen hätte einholen können.«
»Ach, Alex. Du hättest ihnen nicht hinterhersetzen dürfen!«
Alex sagte nichts, und sie schloss die Augen. »Einer sprach mit Akzent. Und sie hatten eine Landkarte und ein Gewehr dabei, als ich sie aus dem Wald kommen sah.«
»Das ist jetzt unwichtig, Sarah. Jetzt zählt nur, dass sie fort sind und mir im Grunde nichts fehlt – bloß ein bisschen angeschlagen, nicht der Rede wert.«
Sie griff nach seiner verbundenen Hand. »Ich werde nie wieder auf der Straße Rad fahren.«
»Es ist nicht deine Schuld, Sarah.«
Sie schniefte nur, und er hob die Hand, mit der er die von Sarah festhielt, und sagte spitzbübisch: »Wenn du meine Wehwehs küsst, fühle ich mich bestimmt gleich wohler.«
Dies riss Sarah aus ihrer rührseligen Stimmung. Meinte dieser Mann etwa, sie wäre total bescheuert und merkte nicht, dass er die Situation ausnutzte? Dann sah sie sein Augenzwinkern. Obwohl sie nichts falsch gemacht hatte, hatte er diese Männer verfolgt, weil sie hinter ihr her gewesen waren.
Sie hob seine Hand an ihre Lippen und hauchte einen Kuss auf den Verband.
»Ach«, stöhnte er, »das spüre ich ja kaum. Der Verband ist im Weg.« Er deutete auf sein geschwollenes Auge. »Küss mich lieber da.«
Sarah schmunzelte und küsste seine Schläfe.
»Und hier!« Er berührte seine Lippen. »Wenn du mich hier küsst, werde ich mich so gut fühlen, dass ich einschlafen kann«, scherzte er.
Sarah betrachtete seinen armen, verschwollenen Mund, dann hob sie den Blick. »Wie lange ist es her, seit der Arzt dir ein Schmerzmittel verabreicht hat?«
Alex sah sie mit verschwommenem Blick an. »Keine Ahnung. Schon eine ganze Weile.«
Sarah zögerte den Bruchteil einer Sekunde, dann beugte sie sich über ihn und berührte sanft seine Lippen mit ihrem Mund.
Alex beugte sich vor, um den Kontakt zu vertiefen, dann ließ er sich wieder ins Kissen sinken. »Jetzt geht es mir besser«, flüsterte er, seine Augen schlossen sich, und sein zerschlagenes Gesicht ließ ein gequältes Lächeln sehen.
11
S arah verschob ihre Pläne, an den See zu ziehen, um in den nächsten Tagen Alex pflegen zu können. Stundenlang saß sie täglich mit ihm im Salon. Manchmal schauten sie gemeinsam Fernsehen, dann wieder las sie ihm vor. Und immer wieder saßen sie nur da und redeten – meist über sie, da diese Gespräche seine zunehmende Ratlosigkeit zu mildern schienen. Sie wusste nicht, wie es kam, aber sie ertappte sich dabei, dass sie Alex alles von ihrem Leben auf Crag Island berichtete – von ihren Eltern und von den zwölf Jahren, die sie unter den Banks’ gelitten hatte. Im Gegenzug gelang es ihr nur bruchstückweise, ihm etwas über sein Leben zu entlocken, da er es immer schaffte, das Thema zu wechseln und von ihr zu sprechen, wenn sie ihn über seine Kinder ausfragen wollte. Dieser Mann hätte CIA-Agent werden sollen und nicht Techniker.
Anfangs war Alex ein angenehmer Patient, obwohl er immer murrte, wenn er ins Badezimmer humpelte. Er unterhielt seine Kinder nach der Schule, indem er ihre Hausaufgaben kontrollierte, Pläne für die in einer Woche bevorstehenden Weihnachtsferien schmiedete und ihnen haarsträubende Geschichten von seinem Elftagesmarsch durch den Dschungel erzählte – wobei Sarah argwöhnte, dass er die schrecklichen Ereignisse beschönigte und die heldenhaften
ausschmückte. Alles in allem fand sie das tägliche Zusammensein mit Alex erstaunlich einfach und manchmal sogar richtig lohnend.
So zum Beispiel, wenn sie ihn beim Schach in acht von zehn Partien schlagen
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