Mein verruchter Marquess
dieses Ungeheuer zu beherrschen dachte, vor allem, nachdem Bloodwell auf der anderen Seite des Kanals die Macht ausübte, das vermochte James sich nicht vorzustellen.
Damit setzte Malcolm das Treffen da fort, wo es aufgehört hatte. Doch über den Anwesenden lag eine unbehagliche Stimmung.
Noch ehe Malcolm sie zu Erfrischungen in den Speisesaal eingeladen hatte, fasste James den Entschluss, dass etwas unternommen werden musste, und zwar schnell.
Es konnte nicht angehen, dass Malcolm nach immer größerer Macht strebte. Dass Niall Rupert gleich hier am Tisch ermordete, war zweifellos als Warnung für sie alle gedacht. Ergänzend dazu war die Wahl Dresden Bloodwells für Tavistocks Posten eine unausgesprochene Drohimg, die darauf hinwies, dass Malcolm darauf vorbereitet war, von seinem Freund, dem Mörder, jeden Mann im Rat eliminieren zu lassen, den er nicht zum Gehorsam zwingen konnte.
Etwas musste getan werden, und James wusste, dass es ihm oblag, die anderen gegen Malcolm zu führen.
Die Mitglieder des Rats verließen die Kammer, sprachen miteinander jedoch nur in gedämpftem Ton. James verließ die anderen, um Talon, seinem Leibwächter, zu sagen, dass sie noch an diesem Abend abreisen würden. Talon verneigte sich vor ihm und ging davon, weil er Vorbereitungen für die Abreise treffen wollte.
James ließ sich einen Moment Zeit, um seine Gedanken zu ordnen, ehe er zum Essen ging. Er lehnte sich gegen das Marmorgeländer an der Treppe vor dem Versammlungsraum.
Als Septimus zu ihm trat, blickte er finster auf. Trotz ihrer freundschaftlichen Beziehung hatte James nicht vor, auch nur ein Wort über seine wahren Gedanken zu äußern, solange sie sich unter Malcolms Dach befanden. Hier hatten die Wände Ohren - und jetzt war auch noch Dresden Bloodwell da.
„Falkirk", begrüßte ihn Septimus und streckte ihm die Hand hin.
„Glasse." James schüttelte die Hand. „Meine Glückwünsche zu deinem Sieg über die drei Ordensmitglieder. Das ist ein beachtlicher Erfolg."
„Den ich nicht ganz allein beanspruchen kann", erwiderte der Deutsche wie beiläufig und lehnte die Ellenbogen auf das Geländer. „Ich brauchte dafür zehn meiner besten Männer gegen zwei von ihnen."
„Zwei?", gab James zurück. „Ich dachte, du hättest drei getötet."
Septimus sah ihn an, sagte aber nichts.
James erstarrte und runzelte die Stirn.
Der Deutsche lächelte matt. „Warum besuchst du mich nicht einmal in Bayern, mein Freund? Ich habe eine interessante neue Bekanntschaft geschlossen. Ich bin sicher, du würdest ihn gern treffen. Mir fällt es schwer, ihn zu verstehen. Der Mann ist Engländer, also hast du vielleicht mehr Glück mit ihm als ich. Es wäre mir natürlich ein Vergnügen, dich ihm vorzustellen."
James' Herz schlug schneller. Er sah sich um, damit er sicher sein konnte, dass niemand zuhörte, dann senkte er die Stimme zu einem Flüstern. „Du hast einen der Agenten des Ordens gefasst? Lebend?"
Sein Freund nickte kaum sichtbar. „Er war der Anführer der Gruppe. Er konnte entkommen, als wir die anderen beiden töteten, aber dann - stell dir vor - kam er zurück, um sich an mir zu rächen."
„Das ist gegen ihre Regeln." James sah ihn verblüfft an. „Rache verstößt gegen ihren Codex."
Septimus zuckte die Achseln. „Es wäre besser für ihn gewesen, das zu beachten. Jedenfalls ist er nicht geflohen."
„Außergewöhnlich!", stieß James hervor. „Hast du Malcolm davon erzählt?"
„Natürlich nicht. Ich dachte, ich spreche zuerst mit dir." Septimus zögerte. „Warte nicht zu lange, James. Ich glaube nicht, dass mein - äh - Gast es noch lange aushält."
„Wurde er im Kampf verletzt?", fragte James.
„Meine besten Folterer beschäftigen sich seit Monaten mit ihm."
„Septimus!", erwiderte James entsetzt. „Folterer? Wenn er das ist, was du sagst, dann ist er viel zu wertvoll dafür!"
„James, du weißt nicht, wie verschwiegen der Mann ist", erwiderte Septimus kopfschüttelnd. „Der Kerl stand an der Schwelle des Todes, und trotzdem haben meine Männer nur seinen Namen erfahren können - und selbst da sind wir nicht sicher, ob es sein Nachname ist, sein Vorname, sein Titel oder ein Deckname."
„Welchen Namen hat er genannt?", fragte James.
„Drake."
Zwei Wochen später saß Daphne in ihrem sonnendurchfluteten Schlafgemach und schrieb Briefe an einige der bekanntesten Wohltäter der ton. Es ging um die Waisen aus der Bücket Lane und das Haus, das sie zu deren neuem Zuhause machen
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