Mein Weg mit Buddha
der Illusion einer heilen Welt und ich gab TF meinen uneingeschränkten Vertrauenskredit. In jeder Beziehung. Ich überließ ihm die Verantwortung für mein Leben. Was für ein Wahnsinn.
Und TF übernahm – zwar nicht die Verantwortung, denn diesen Begriff gibt es in seinem Wortschatz nicht – jedoch das Ruder und somit Macht und Kontrolle. Und zwar indem er es schaffte, der Himmel weiß wie, weit mehr als drei Viertel des Jahres an meiner Seite zu sein. Sofern ich nicht arbeitete, waren wir im Winter jeden Tag, an dem es Schnee gab, auf der Skipiste. Natürlich liebte ich das – in der Sonne glitzernde weiße Pisten, das Panorama des Wilden Kaisers, Waldspaziergänge, knirschender Schnee unter den Füßen, mittags auf einer Hütte draußen sitzen, Spaghetti all’arrabiata essen (das wärmt so schön) und jede Menge Bekannte treffen. Seine Bekannten, wohlgemerkt. Ich fing langsam, aber sicher an, sein Leben zu leben. TF war permanent um mich herum. Und jeder potenzielle »Konkurrent« wurde von ihm auf sehr subtile Weise aus meinem Leben entfernt, ohne dass ich es mitbekam. Ab Mai war dann Cannes angesagt. Kein Tag der Filmfestspiele wurde ausgelassen, denn das schien äußerst wichtig zu sein. Jedes Jahr lud TF potenzielle »Geschäftspartner«, Adabeis und andere Society-Schmarotzer auf »sein« (geliehenes) Boot zum gemeinsamen Brainstorming ein. Doch glauben Sie mir: Das alles ist viel mehr Schein als Sein. In diesen Meetings werfen die Möchtegerns der Branche mit fiktiven Millionensummen um sich, verkaufen Filme, von denen noch kein Meter gedreht wurde, und lassen abends zwecks »Besetzungsplanung« ein paar Mädels antanzen. Die wirklichen »Macher« kommen für maximal einen Tag nach Cannes und sind sofort wieder weg, möglichst schnell raus aus diesem Jahrmarkt der Eitelkeiten, diesem Tummelplatz von Hochstaplern und Parvenüs.
Nun, das weiß ich alles erst heute. Ich muss gestehen, ich steckte damals mittendrin, fand das alles total aufregend und stöckelte im Designerkleidchen auf sündhaft teuren High Heels die Croisette entlang, von Meeting zu Meeting: Hotel Martinez, Café Roma, vom Carlton zum Majestic, dann Palais du Festival und retour. Ich war von morgens bis abends perfekt gestylt, denn wo TF weilte, war meist ein Fotograf nicht weit. Ich hege den Verdacht, dass sich TF in sein Handy einen Peilsender einbauen ließ, damit er auch ja gefunden werden konnte. War Cannes vorbei, ging es nach Hause nach Cap Ferrat. Ich liebte diese zauberhafte Wohnung direkt am Hafen, wo man herrlich sitzen konnte, um die Zeit zu vertrödeln oder zu lesen. Hier hatte ich immer die meiste Muße, mein buddhistisches Wissen zu vertiefen oder an meinen Soloprogrammen und Lesungen zu arbeiten. TF zog es jedoch immer nach Monaco, dorthin, wo seiner Ansicht nach die »Reichen und Wichtigen« leben. Eine Weile hat es mir Spaß gemacht, dabei zu sein, doch dann wurde es mir zu oberflächlich. Ich fand es lächerlich, sich über die Länge seines Bootes und die PS-Zahl seines Autos zu definieren. Das ist doch krank. Es ist ein Leben auf der Überholspur, in dem Unsummen verpulvert werden, um für Dreijährige standesgemäße Geburtstagspartys zu schmeißen, in dem der Champagner ausschließlich rosé ist und nur in der Magnumflasche daherkommt und in dem diese gewisse Sorte Männer – braun gebrannt, Jeans, aufgeknöpftes Designerhemd mit Manschettenknöpfen und halb langer Unfrisur – jede Frau für käuflich hält, solange die Summe stimmt. Man geht zum Lunch in den Jachtklub und lässt sich das Dinner von »Quai des Artistes« auf seiner Jacht servieren. Ein beschauliches Leben. Da kippt man sehr, sehr leicht aus seiner spirituellen Balance.
Mann, ist das kalt draußen. Gegenüber am Hahnenkamm präsentiert sich das rote Kitz schon im Leuchtgewand. Eine einsame Pistenraupe blinkt vor sich hin, noch ist alles friedlich, bevor in einer Woche die Fremden hier einfallen. Vom Lebenberg folge ich dem Pfad hinunter Richtung Pfarrkirche, ich überquere den Friedhof mit seinen schmiedeeisernen Kreuzen, die durch die ewigen Lichter von Allerseelen einen adventroten Schimmer tragen, passiere die Liebfrauenkirche und gehe die Stufen hinab in die Unterstadt in den vorweihnachtlichen Ort hinein. Mit Fellstiefeln an den Füßen und Mütze auf den Ohren hänge ich meinen Gedanken nach. So viele Erinnerungen kleben hier in Kitzbühel. Ich erreiche den Platz vor der »Tenne«. Hier fing alles an. Es war der erste gemeinsame Drehtag,
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