Mein Wille geschehe
Le-
ben.«
»Bringen Sie das doch nicht durcheinander«, rief
Raymond Kiley, der auch aufgestanden war. »Es
geht doch hier nicht um Abtreibung, sondern um
einen Bombenanschlag.«
»Richtig«, unterstützte ihn Joe Romanidis. »Um
einen Mann, der des Mordes angeklagt ist.«
»Ja, Mord«, schrie jemand. »Er hat diese un-
schuldigen Menschen ermordet! In der Hölle soll
er schmoren!«
»Der Mord an Mördern ist kein Verbrechen!«
»Das Oberste Verfassungsgericht ist aber anderer
Ansicht«, wandte jemand ein.
»Empfängnis ist heilig. Zur Hölle mit den Verfas-
sungsrichtern!«, kreischte jemand.
Dann warf eine Frau Elise einen Gegenstand an
den Kopf, woraufhin beide Schwestern mit weite-
ren Gegenständen beworfen wurden. Corey
sprang auf und versuchte, seine Frau zu schüt-
zen. Einer der Gefängniswärter packte ihn, der
zweite riss Elise mit sich zu Boden. »Abtreibung
ist legal in diesem Land«, schrie jemand. »Legalisierter Mord ist trotzdem Mord«, schrie ein ande-
rer. »Schützt die Rechte der Frauen!«
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»Setzt euch für die Ungeborenen ein!«
»Für das Recht auf Abtreibung! Wir wollen keine
Sklavinnen sein!«
»Tötet die Mörder!«
Binnen Sekunden wurden aus den verbalen Atta-
cken tätliche Angriffe – die Leute rissen einander an den Haaren, traten um sich, zerfetzten Kleider und warfen, wie sich später herausstellte, Papier-klumpen. Die beiden Wachleute an der Tür zum
Gerichtssaal stürzten sich ins Getümmel, konnten
jedoch nicht viel ausrichten.
Dann sah sich die aufgebrachte Meute nach Ge-
genständen um, die man noch als Wurfgeschosse
einsetzen konnte. Einige benutzten ihre Handta-
schen als Schleuder. Ein Mann riss Frances Sto-
cker ihre Krücke weg und schwang sie wie eine
Baseballkeule.
Betsy Toth Umanski saß in der ersten Reihe des
Zuschauerbereichs und hörte nur, was hinter ihr
geschah, weil sie sich nicht umdrehen konnte.
»W7as ist denn da los?«, fragte sie ihren Mann,
der sie an diesem Tag ausnahmsweise begleiten
konnte. Doch in diesem Moment wurde sie aus
ihrem Rollstuhl gestoßen. Der Übeltäter wollte ihn offenbar als Rammbock einsetzen, doch Andy
Umanski sprang auf ihn. Weltanschauung spielte
jetzt längst keine Rolle mehr, alle wurden in den Wahnsinn hineingezogen. Die Menschenmenge
war zum Mob geworden. Abraham Bendali hatte
seit Prozessbeginn mit etwas Derartigem gerech-
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net. Als er Robert Niera ein Zeichen gab, führte
dieser die Geschworenen sofort aus dem Ge-
richtssaal, durch den Eingang, den sonst nur der
Richter benutzte. Die beiden Wachen an Coreys
Seite geleiteten ihn, seine Frau, seine Mutter,
seine ehemalige Vermieterin und seine Schwäge-
rin rasch hinaus. Charles Ramsey, Joan Wills und
Mark Hoffman folgten ihnen eilig. Der Protokoll-
führer griff zum Telefon, bevor er mit den ande-
ren den Saal verließ, und rief Hilfe herbei. Doch der Richter, der nicht sicher war, wie sich das
Ganze entwickeln würde, und der kein Risiko ein-
gehen wollte, hatte bereits den Alarmknopf zu
seiner Rechten gedrückt. Binnen Minuten stürm-
ten sechs Polizisten in den Gerichtssaal. Die Ka-
meraleute vor der Tür sahen sie vorbeirennen
und bekamen einen kurzen Eindruck der Vorgän-
ge im Saal, als sich die Türen öffneten und
schlossen. Doch sie mussten draußen bleiben,
während die Reporter im Saal eifrig schrieben
und der Gerichtszeichner so schnell wie möglich
eine Skizze anzufertigen versuchte.
Zwei der sechs Polizisten drängten sich nach vor-
ne durch und wandten sich dann den Zuschauer-
reihen zu. Ihre Aufgabe war es, das Gericht zu
schützen. Sie zogen ihre Pistolen, entsicherten
sie und richteten sie auf die Menge. Sie würden
schießen, wenn es notwendig war. Die restlichen
Polizisten brachten mit Schlagstöcken und Hand-
schellen die Meute zur Räson.
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Dana McAuliffe und Brian Ayres blieben vor Ort,
fasziniert und angewidert zugleich, und konnten
später als Begründung für ihr Handeln nur vor-
bringen, dass sie es für ihre Pflicht gehalten hatten, alles mit anzusehen. Erst nach etwa dreißig
Minuten war der Tumult einigermaßen unter Kon-
trolle. Es gab sieben Festnahmen, zwei Gehirner-
schütterungen, einen gebrochenen Arm, diverse
gebrochene Rippen, eine ausgerenkte Schulter
und zahlreiche Schnittwunden und Blutergüsse.
Joe Romanidis hatte ein blaues Auge, Raymond
Kiley einen tiefen Schnitt auf der rechten Wange
und Andy Umanski eine gebrochene Nase.
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