Mein Wille geschehe
bewaffneter Polizisten erneut in den Zeu-
genstand. »Nur noch ein paar wenige Fragen«,
sagte Brian. »Haben Sie im November letzten
Jahres einen Anruf von dem Angeklagten erhal-
ten?«
»Ja.«
»Würden Sie bitte dem Gericht mitteilen, was
dabei gesprochen wurde?«
»Er sagte mir, Elise hätte sich geweigert, über die Fehlgeburt zu sprechen, und er wollte von mir
hören, ob ich Näheres darüber wüsste.«
»Über die Fehlgeburt?«
»Ja. Elise muss ihm wohl erzählt haben, dass sie
eine Fehlgeburt hatte.«
»Was sagten Sie?«
»Nun, ich wusste ja nicht, dass Elise ihm nicht die Wahrheit sagen würde. Ich musste ihr schwören,
dass ich unseren Eltern nichts davon erzählen
würde, aber von Corey hatte sie nichts gesagt.
Vielleicht kam sie gar nicht auf die Idee, dass er mich anrufen könnte. In dem Moment dachte ich
jedenfalls, er hätte sich verhört oder so. Und ich sagte, sie hätte vielleicht Schuldgefühle.«
»Was erwiderte er darauf?«
»Er wollte wissen, weshalb sie wohl Schuldgefüh-
le haben sollte.«
»Was sagten Sie dann?«
487
Ronna seufzte. »Dass sie vielleicht Schuldgefühle habe, weil Abtreibung als Todsünde gilt.«
»Von Ihnen erfuhr der Angeklagte also, dass sei-
ne Frau keine Fehlgeburt erlitten, sondern eine
Abtreibung vorgenommen hatte?«
»Ich wollte das nicht, aber so war es wohl.«
»Wie hat er darauf reagiert?«
»Er verstummte«, gab Ronna zur Antwort. »Er
sagte gar nichts mehr, und nach ein, zwei Minu-
ten legte er einfach auf.«
»Danke, Mrs Keough«, sagte der Staatsanwalt.
»Keine weiteren Fragen.«
Dana erwog ihre Strategie. Die Frau des Ange-
klagten konnte rechtlich nicht dazu gezwungen
werden, gegen ihren Mann auszusagen, doch für
die Schwester der Frau galt dieses Gesetz nicht.
Es war ein enorm kluger Zug gewesen von Brian,
Elise Lathams Abtreibung und ihre Lüge als Be-
weis zu nutzen. Damit war klar erwiesen, dass
Corey Latham ein Motiv für den Anschlag auf Hill
House hatte. Der Schaden war entstanden und
nicht mehr rückgängig zu machen. Es wäre sogar
unklug, auch nur den Versuch zu unternehmen.
»Wir haben keine Fragen an diese Zeugin, Euer
Ehren«, sagte die Verteidigerin.
Elise Latham kehrte am Freitag nicht in den Ge-
richtssaal zurück und wurde dort auch bis zu ih-
rer Zeugenaussage nicht mehr gesehen. Ihr ein-
monatiger Urlaub war beendet, sie musste wieder
arbeiten. Außerdem hatte sie Angst vor einem
488
weiteren Aufruhr im Gerichtssaal, und so kam es
ihr gelegen, dass sie sich vorläufig aus dem Ge-
schehen zurückziehen konnte.
Dean Latham war Mitte September nach Iowa
zurückgekehrt, und Coreys Freunde von der Ma-
rine, die sich für die ersten Prozesstage Urlaub
genommen hatten, waren wieder im Dienst. Nur
Barbara Latham, Evelyn Biggs und zwei bis drei
Mitglieder von Coreys Selbsthilfegruppe hielten
die Stellung. Ab und an erhielten sie Verstärkung von Tom Sheridan. Heute war zum Glück ein solcher Tag, und Dana sah aus dem Augenwinkel,
wie er tröstend den Arm um Barbara legte.
Der letzte Zeuge der Anklage in dieser Woche
war Alan Neff, der Arzt vom Hill House, der bei
Elise die Abtreibung vorgenommen hatte. Dr.
Neff hatte Glück gehabt, denn er kurierte gerade
in seinem Haus in Lake Forest Park eine Grippe aus, als Hill House zerstört wurde.
»Sie sollten wissen, dass ich niemals die ärztliche Schweigepflicht verletzen würde«, sagte der Arzt
zu Brian Ayres, als er telefonisch um seine Zeu-
genaussage gebeten wurde. »Ich kann und werde
mit Ihnen nicht über Mrs Lathams Behandlung
sprechen.«
»Ich werde Sie nicht über Ihren Kontakt zu Mrs
Latham befragen«, versicherte ihm der Staats-
anwalt. »Nur über Ihren Kontakt zu ihrem Gat-
ten.«
Am anderen Ende der Leitung herrschte einen
489
Moment Stille. »Woher wissen Sie, dass ich etwas
mit ihrem Mann zu tun hatte?«, fragte Neff.
»Vielleicht hab ich gut geraten«, sagte Brian mit einem Achselzucken. »Und verfüge über Telefon-verbindungsnachweise.« Der Arzt seufzte. »Gut«,
sagte er. »Was wollen Sie von mir?«
»Danke, dass Sie heute gekommen sind, Dr.
Neff«, sagte Brian, als der Arzt sich genau vier
Monate nach ihrem Telefongespräch im Zeu-
genstand niederließ. »Zunächst wüsste ich von
Ihnen gerne, ob Sie Corey Latham kennen.«
»Ich weiß, wer er ist«, gab der Arzt zur Antwort,
»aber ich habe ihn nie persönlich kennen ge-
lernt.«
»Was meinen Sie mit ›ich weiß, wer er ist‹?«
»Nun,
Weitere Kostenlose Bücher