Mein Wille geschehe
nicht. Also, können Sie
mir helfen?«
»Was brauchen Sie?«, fragte Jessup.
Sie richtete sich auf. »Falls Sie es noch nicht gesehen haben: Heute ist in einem Revolverblatt
namens Probe ein Artikel über mich erschienen, in dem gesagt wird, dass ich im Hill House eine
Abtreibung vornehmen ließ«, sagte sie so sach-
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lich, wie es ihr möglich war. »Ich gehe davon
aus, dass jemand von der Klinik diese Informati-
on rausgerückt hat, um meine Position im Pro-
zess zu schwächen und auf einen Schuldspruch
hinzuwirken. Ich möchte wissen, wer das war.«
Am anderen Ende blieb es still, und Dana hielt die Luft an, bis sie – nach einer Ewigkeit, wie ihr
schien – Jessups Stimme wieder hörte. »Ich
kümmere mich sofort darum«, sagte er leise.
Jessup starrte in Gedanken versunken auf sein
Telefon, noch lange, nachdem er aufgelegt hatte.
Sein Gehirn begann schon zu arbeiten. Ein paar
Tage, bevor er den Brief bekommen hatte, war er
auf etwas gestoßen, das ihn sonderbar anmutete
– ein Puzzlestück, dessen Form er nicht gleich
erfassen konnte. Es hatte nichts direkt mit Dana
zu tun, aber er fragte sich, ob es da eine Verbindung gab. Er dachte über den Artikel nach. Es
dürfte nicht schwierig sein herauszufinden, woher die Information stammte. Aber es würde schwierig sein, es seiner Auftraggeberin mitzuteilen, das wusste er aus Erfahrung.
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Dana gelang es irgendwie, ihr Sandwich hinun-
terzuwürgen, Elise Latham auf die Tücken des
Kreuzverhörs vorzubereiten und dem Anschein
nach gelassen in den Gerichtssaal zurückzukeh-
ren. Obwohl man ihr die Unruhe nicht anmerkte,
war sie sicher, dass alle im Saal sie anstarrten.
Plötzlich konnte sie sich nicht mehr beherrschen
und drehte sich kurz um. Als sie nichts Unge-
wöhnliches bemerkte, entfuhr ihr ein Seufzer, der so laut war, dass Joan Wills ihn hören konnte. Die junge Anwältin war beunruhigt. Aus irgendeinem
Grund, den er ihnen nicht mitgeteilt hatte, war
Charles Ramsey nach der Mittagspause nicht zu-
rückgekehrt, und Joan war nicht sicher, ob Dana
den Nachmittag schaffen würde. Obwohl Ramsey
nur zweiter Stellvertreter war, hätte sie es doch beruhigend gefunden, den erfahrenen Seniorpartner zur Sicherheit in der Nähe zu wissen. A-
ber Joan hätte sich keine Sorgen machen müs-
sen. Dana beherrschte die Trennung von Berufs-
und Privatleben perfekt. Sie zwang sich dazu,
nicht an die verheerenden Folgen des Artikels zu
denken, oder an Sam. O Gott, Sam! Nein, sie
konzentrierte sich einhundertprozentig auf den
Prozess. Das war sie Corey schuldig. Später,
wenn sie den Gerichtssaal verließ, würde sie Bi-
lanz ziehen, den Schaden abschätzen und ihre
Optionen erwägen. Und sich um alles andere
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kümmern. Das Kreuzverhör von Elise Latham
durch den Staatsanwalt nahm den größten Teil
des Nachmittags in Anspruch. Brian stocherte
herum und hakte nach, aber Stuart Dünn, Allison
Ackerman und auch andere Geschworene gewan-
nen nicht den Eindruck, dass er dabei etwas zu
Tage förderte. Das änderte sich kurz nach vier.
»Mrs Latham«, sagte Brian, »Sie haben zuvor
ausgesagt, dass Sie und Ihr Mann während der
Woche immer abends die Zehn-Uhr-Nachrichten
sahen, sich dann Kakao kochten und danach zu
Bett gingen. Ist das richtig so?«
»Ja.«
»Wer machte den Kakao?«
Elise zuckte die Achseln. »Manchmal ich, manch-
mal Corey.« Sie sah ihn unumwunden an. »In
den letzten sieben Monaten war immer ich es.«
»An dem Abend vor dem Anschlag, wer bereitete
da den Kakao zu?«
»Das weiß ich nicht mehr genau«, antwortete
Elise. »Ist das wichtig?«
Dana verengte die Augen. Sie wusste, worauf
Brian hinauswollte.
»Es könnte sogar sehr wichtig sein«, antwortete
Brian ruhig. »Denken Sie also ruhig einen Mo-
ment darüber nach.« Die Zeugin sah zu Dana
hinüber, aber die konnte nur mit einem kaum
merklichen Achselzucken reagieren. »Gut, ich
glaube, an diesem Abend hat Corey den Kakao
gemacht«, sagte Elise schließlich.
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»Der Angeklagte hat den Kakao zubereitet, und
nachdem Sie ihn getrunken haben, schliefen Sie
die ganze Nacht ruhig. Ist das richtig?«
»Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte Elise. »Ein-
spruch«, meldete sich Dana zu Wort. »Darf ich
fragen, was die Anklage mit diesen Fragen be-
zweckt?«
»Mr Ayres?«, sagte der Richter.
»Euer Ehren, da die Anklage davon ausgeht, dass
der Angeklagte in dieser Nacht aufgestanden ist«, erklärte Brian, »versuche ich zu
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