Mein Wille geschehe
Unerwartetes
war passiert. Doch, eine Sache vielleicht. Dana
McAuliffe hatte nicht um Verlegung des Prozes-
sortes gebeten.
»Es hätte ihr nichts genützt«, versicherte ihm
Brian. »Dieser Fall ist zu sehr durch die Medien
gegangen, als dass es irgendwo im Land noch
unvoreingenommene Geschworene geben könn-
te. Das muss ihr auch klar gewesen sein.« Mark
grinste. »Kann es sein, dass das kein Zufall
war?« Brian zuckte die Achseln. »Man tut, was
man kann«, erwiderte er. »So einwandfrei stehen
wir nicht da.«
»Ich glaube nicht, dass wir beunruhigt sein müs-
248
sen«, erklärte Mark. »Das ist bislang Ihr erster
Fehler«, sagte Brian. »Wir sollten sehr beunruhigt sein. Und zwar nicht zuletzt wegen Dana McAuliffe.«
»Weshalb denn das?«, fragte Mark. »Klar, ihre
Kanzlei hat einen guten Ruf, aber als sie ihr diesen Fall aufgehalst haben, statt einen ihrer bes-
ten Leute ranzulassen, haben sie uns doch ein
Geschenk gemacht.«
»Das glauben Sie?«
»Ja, sicher. Alle hier.«
Brian lehnte sich in seinem Sessel so weit zurück, dass er den Kopf fast an der Wand abstützen
konnte. »Nun, das können Sie tatsächlich nicht
wissen«, teilte er seinem jungen Assistenten mit.
»Und vielleicht wissen es die Kollegen von Götter und Boland selbst nicht – aber sie haben die Beste auf den Fall angesetzt, die sie haben.«
Wie immer in letzter Zeit saß Dana spätabends
noch an ihrem Schreibtisch. Die erste Prozess-
phase, die manche Leute für die wichtigste hiel-
ten, stand bevor. Die Beweislage war vollständig, die Zeugen waren befragt worden, ihre Strategie
stand fest. Nun konnte sie nur noch denken. Alles noch einmal komplett durchdenken, um sicherzugehen, dass sie nichts übersehen hatte. Das hat-
te sie in den letzten drei Stunden getan. Jetzt
wartete sie auf einen Anruf. Vor drei Wochen hat-
te man Craig Jessup die Liste der potenziellen
Geschworenen übergeben. Vor einer Woche hatte
249
er sie zusammen mit einem ausführlichen Bericht
über jede der genannten Personen an Lucy Kas-
hahara weitergereicht, die zweiunddreißigjährige
energische Geschworenenberaterin, von der jeder
bei Gotter und Boland glaubte, dass sie Hellsehe-
rin war. In all den Fällen, in denen es der Kanzlei wichtig erschienen war, einen Experten hinzuzu-ziehen, hatte sie sich nicht einmal getäuscht.
Lucy hatte anhand von Jessups Dossier einen all-
gemein gehaltenen und doch sehr präzisen,
zehnseitigen Fragebogen erstellt, anhand dessen
man sich einen Eindruck von der psychischen
Struktur der potenziellen Geschworenen machen
wollte. Am ersten Freitag im August wurden
sämtliche einhundertzwanzig Personen ins Ge-
richtsgebäude bestellt, um ihn auszufüllen.
»Sie können während des Prüfungsgesprächs ei-
ne Frage stellen«, erklärte sie Joan Wills. »Aber Sie können nie sicher sein, wie die Antwort ausfällt. Man kann Ihnen die Wahrheit sagen, oder
das, was Sie offenbar hören wollen, oder nur ei-
nen Bruchteil der Antwort. In diesem Fragebogen
stellen wir dieselben Fragen auf so unterschiedliche Weise, dass sich zwangsläufig jeder offenba-
ren muss.«
»Das machen Sie aber nicht vor jedem Prozess,
oder?«, fragte Joan.
»Nur wenn wir einen Vorsprung brauchen«, ant-
wortete Dana trocken. »Und in diesem Fall brau-
chen wir jeden Millimeter Vorsprung.«
250
»Und dann dürfen Sie nicht vergessen, dass die
Gegenseite genau dasselbe tut wie wir«, fügte
Lucy hinzu. »Es bleibt einem nur die Hoffnung,
dass der eigene Berater ein bisschen besser ist
als der des Anklägers.«
Die potenziellen Geschworenen füllten den Frage-
bogen am Freitag aus und reichten ihn bis sechs
Uhr abends ein. Dann machte Lucy sich an die
Arbeit und arbeitete die Bögen übers Wochenen-
de durch. Sie verglich und wog sorgfältig ab und
traf dann eine Entscheidung bezüglich ihrer Emp-
fehlung.
Kurz nach zehn klingelte das Telefon in Danas
Büro. »Ich bin fertig«, verkündete Lucy, die sich müde, aber zufrieden anhörte.
»Gut«, erwiderte Dana. »Wir sehen uns morgen
früh.« In elf Stunden, dachte Dana, als sie auf-
legte. In elf Stunden würde sie gemeinsam mit
Jessup, Lucy, Joan und Charles Ramsey den Ge-
richtssaal betreten. Dann würden sie die zwölf
Geschworenen und vier Ersatzpersonen auswäh-
len, die sich ihrer Einschätzung nach für Corey
Lathams Freispruch einsetzen würden. Wenn ihre
Einschätzung falsch war, würde ihr Mandant zum
Tode verurteilt werden.
Weitere Kostenlose Bücher