Mein Wille geschehe
mit seiner ge-
liebten Gattin Nina, seinen drei Söhnen, deren
Frauen und sieben Enkeln nach Rosario, dem be-
liebten Ferienort auf den San Juan Islands. »Was
ist denn mit Dad los?«, fragte sein ältester Sohn.
»Ich kann mich nicht mal mehr daran erinnern,
wann er zum letzten Mal Urlaub genommen hat.«
»Ich glaube, das hat was mit dem Ruhestand zu
tun«, antwortete seine Mutter. »Er will schon mal ein bisschen üben.« Bislang hatte Bendali noch
mit niemandem über seinen Ausstieg aus dem
Berufsleben gesprochen, nicht einmal mit seiner
Frau, mit der er seit dreiundvierzig Jahren verheiratet war. Manchmal hatte er allerdings das Ge-
fühl, dass sie mehr über ihn wusste als er selbst.
Vorerst wollte er diesen Ausstieg jedenfalls als
Ruhestand bezeichnen. Wenn der richtige Zeit-
punkt gekommen war, würde er sich mit Nina
zusammensetzen und ihr berichten, was die Ärzte
ihm gesagt hatten.
Dana kam vom Gefängnis nach Hause, WTO sie
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nach dem Ende der Verhandlung noch einige Zeit
mit Corey gesprochen hatte, zog sich aus und ließ sich ein heißes Bad mit viel Badesalz ein. Ihre
Haut wurde krebsrot, als sie sich ins Wasser setz-te, doch das war ihr einerlei, und sie tauchte unter, bis nur noch ihr Kopf herausschaute. Sie hör-te Sam in der Küche mit Töpfen und Geschirr
klappern, als er das Abendessen zubereitete, und
wusste, dass sie ihm als gute Gattin eigentlich
helfen sollte, doch sie konnte sich irgendwie nicht von der Stelle rühren. Eine Stunde lang verharrte sie so, bis der Stress abebbte und das Wasser
lauwarm wurde. Dann stieg sie aus der Wanne
und hüllte sich in einen flauschigen Frotteebade-
mantel.
»Hier kommt das Faultier«, verkündete sie, als
sie in die Küche tappte. »Was kann ich machen?«
»Nichts«, antwortete Sam. »Ich bin gleich fer-
tig.« Er hatte sich im Laufe der Jahre daran ge-
wöhnt, das Kochen zu übernehmen, und dabei zu
seiner Überraschung festgestellt, dass es ihm
Spaß machte. »Setz dich einfach hin, wunder-
schön und schrumplig wie du bist, und lass dich
bewundern.« Dana lächelte. Sie hielt sich zwar
für unabhängig, doch immer wieder wurde ihr
bewusst, wie wichtig Sam für sie war, mit seinem
scheinbar unerschöpflichen Vorrat an Trost, Sen-
sibilität und Unterstützung. Die Ironie der Lage
entging ihr nicht. Judith hätte einen verlässlichen starken Mann an ihrer Seite viel nötiger ge-297
braucht, doch Dana hatte ihn gefunden.
»Ich werde den Tisch decken«, sagte sie mit ei-
nem glücklichen Seufzer. »Damit ich mich we-
nigstens noch ein bisschen nützlich mache.«
Allison Ackerman saß in der Frühstücksecke ihres
Anwesens in Maple Valley. Durch die Fenster
konnte sie auf die weitläufigen Wiesen mit den
schönen Zäunen und auf die Pferde blicken, die
dort grasten. Sie schienen sich nicht daran zu
stören, dass das Gras dort nicht mehr allzu üppig wuchs. Sie hatten bereits Heu und Hafer zum
Frühstück bekommen und waren zufrieden mit
sich und der Welt. Die Schriftstellerin merkte,
dass sie die Tiere tatsächlich beneidete und gerne an ihrer Stelle gewesen wäre und nichts anderes
getan hätte, als den lieben langen Tag auf der
Koppel zu sein.
Sie goss sich eine dritte Tasse Kaffee ein, was
höchst selten vorkam, und fragte sich zum x-ten
Mal, in was sie da hineingeraten war. Was hatte
sie auf die Idee gebracht, mit diesen Anwälten
Spielchen zu spielen? Im Rückblick kam es ihr
regelrecht absurd vor.
»Was hast du gemacht?«, hatte ihre Tochter wis-
sen w7ollen. »Frage nicht«, antwortete Allison.
»Muss ich wahrscheinlich gar nicht. Du hast ihnen einen Köder hingeworfen, oder?«
Die Krimiautorin seufzte. »Ja«, gab sie zu. »Ich
war mir aber sicher, dass mich einer der Anwälte
ablehnen würde.«
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»Hättest du dich nicht anderweitig rausreden
können, wie früher auch?«
Es stimmte zwar, dass Allison keinen dringenden
Termin hatte, aber sie war dabei, ihr neuestes
Buch zu überarbeiten. Damit hätte sie sich ent-
schuldigen können. Vor allem die Verteidigerin
hätte sie ablehnen müssen. Allison hatte aus ih-
rer feministischen Haltung wahrlich keinen Hehl
gemacht. Und es gab genügend Leute, die hier
gerne als Geschworene tätig sein wollten. Sie
schienen sogar regelrecht verrückt danach zu
sein. Während ihrer Wartezeit in Raum C701 war
Allison sogar das Gerücht zu Ohren gekommen,
dass man einem potenziellen Geschworenen so-
gar Geld geboten hatte, um an
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