Meine geheime Autobiographie - Textedition
Kugel den Kopf des Eichhörnchens; danndurften die Hunde nach Belieben mit ihm verfahren – der Jäger sah sich in seinem Stolz verletzt und wollte es nicht in seine Jagdtasche stecken.
Im ersten schwachen Grau des Morgens stolzierten in großen Herden die würdevollen Wildtruthühner umher, dazu aufgelegt, sich gesellig zu zeigen und Einladungen zum Gespräch mit anderen Ausflüglern ihrer Art zu erwidern. Der Jäger verbarg sich und imitierte den Truthahnruf, indem er Luft einsog durch den Beinknochen eines Truthahns, der früher einmal einen derartigen Ruf beantwortet und gerade noch lange genug gelebt hatte, um ihn zu bereuen. Es gibt nichts, was so täuschend echt einen Truthahnruf hervorbringt wie dieser Knochen. Sehen Sie, wieder so eine Niedertracht der Natur; sie ist voll davon; meist weiß sie schlichtweg nicht, was ihr lieber ist – ihr Kind zu verraten oder es zu beschützen. Im Fall des Truthahns ist sie völlig verwirrt: Sie schenkt ihm einen Knochen, der dazu genutzt werden kann, ihn in Schwierigkeiten zu bringen, und sie stattet ihn mit einer List aus, sich aus den Schwierigkeiten wieder zu befreien. Wenn eine Putenmutter auf eine Einladung antwortet und feststellt, dass es ein Fehler war, sie anzunehmen, tut sie dasselbe wie eine Rebhuhnmutter – sie entsinnt sich einer früheren Verabredung, tut so, als lahme sie, und läuft hinkend und humpelnd davon; zugleich sagt sie zu ihren unsichtbaren Kindern: »Haltet euch versteckt, rührt euch nicht, zeigt euch nicht; ich bin zurück, sobald ich diesen schäbigen Schuft aus dem County vertrieben habe.«
Wenn jemand unwissend und vertrauensselig ist, kann diese unmoralische Finte lästige Folgen haben. Eines Morgens folgte ich einer offenbar lahmen Truthenne durch einen beträchtlichen Teil der Vereinigten Staaten, denn ich glaubte ihr und konnte mir nicht vorstellen, dass sie einen kleinen Jungen täuschen würde, noch dazu einen, der ihr vertraute und sie für ehrlich hielt. Ich hatte die einläufige Schrotflinte dabei, wollte die Henne aber lebend fangen. Oft war ich ihr dicht auf den Fersen, und dann stürzte ich mich auf sie, aber immer, wenn ich den entscheidenden Sprung wagte und meine Hand dorthin ausstreckte, wo eben noch ihr Hinterteil gewesen war, war es plötzlich nicht mehr da, sondern fünf oder sechs Zentimeter weiter, und wenn ich auf dem Bauch landete, streifte ich gerade noch die Schwanzfedern – eine knappe Sache, aber doch nicht knapp genug; will sagen nichtknapp genug, um Erfolg zu haben, aber knapp genug, um mir weiszumachen, dass ich es beim nächsten Mal schaffen würde. Sie wartete immer ein Stück weiter vorn auf mich und tat so, als sei sie ganz erschöpft und müsse sich ausruhen, was eine Lüge war, aber ich glaubte ihr, denn ich hielt sie noch immer für ehrlich, lange nachdem ich hätte anfangen sollen, an ihr zu zweifeln, lange nachdem ich hätte argwöhnen sollen, dass sich ein edelmütiger Vogel so nicht aufführt. Ich folgte und folgte und folgte ihr, stürzte mich in regelmäßigen Abständen auf sie, stand auf, klopfte mir den Staub ab und nahm meine Reise mit geduldiger Zuversicht wieder auf, einer Zuversicht, die wuchs, denn an der Veränderung von Klima und Vegetation konnte ich ablesen, dass wir in die Höhenlagen gerieten, und da sie nach jedem Sprung etwas erschöpfter und etwas entmutigter wirkte, nahm ich an, dass ich am Ende als Sieger hervorgehen würde, dass der Wettkampf nur eine Frage des Durchhaltevermögens wäre und ich ohnehin den Vorteil auf meiner Seite hätte, weil sie lahmte.
Im Laufe des Nachmittags begann auch ich zu ermüden. Keiner von uns beiden hatte gerastet, seit wir zu unserem Ausflug aufgebrochen waren, was mehr als zehn Stunden zurücklag, auch wenn wir zuletzt nach jedem Sprung eine Weile pausiert hatten. Ich tat so, als müsste ich über etwas nachdenken, und sie tat so, als müsste sie über etwas anderes nachdenken, aber keiner von uns beiden war aufrichtig, und beide warteten wir darauf, dass der andere das Spiel beendete, hatten es aber nicht wirklich eilig damit, denn diese kurzen, flüchtigen Ruhepausen waren uns beiden sehr willkommen. Es kann gar nicht anders sein, wenn man sich seit Tagesanbruch Scharmützel liefert und in der Zwischenzeit keinen Bissen zu sich nimmt; wenigstens ich nicht, denn manchmal, wenn sie auf der Seite lag, sich mit einem Flügel zufächelte und um die Kraft betete, aus dieser Schwierigkeit herauszufinden, kam zufällig ein Grashüpfer vorbei,
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