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Meine gute alte Zeit - Teil I

Meine gute alte Zeit - Teil I

Titel: Meine gute alte Zeit - Teil I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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mich hatte. Das Gefühl, dass sich alles um Madge drehte, mac h te mich manchmal eifersüchtig. Mutter selbst hatte keine sehr schöne Mädchenzeit gehabt. Obwohl ihre Tante eine reiche Frau war und häufig den Atlantik mit ihr überquert hatte, war es ihr nie nötig erschienen, sie in irgendeiner Form in die Gesellschaft einzuführen. Om a tante bestellte sich zwar sehr teure und el e gante Kleider in den besten Pariser Salons, betrachtete aber Clara i m mer nur als Kind und kleidete sie entsprechend. Wi e der diese schrecklichen Nähmamsellen! Mutter war fest en t schlossen, dass ihre Töchter all die hübschen Sachen und den modischen Krim s krams haben sollten, den sie hatte entbehren müssen. Daher ihr Interesse und ihre Freude an Madges Ga r derobe und später auch an meiner.
    Und damals waren Toiletten noch Toiletten! Rüschen, Krausen, Volants, Spitzen, komplizierte Säume und B e sätze: ve r schwenderisch in Material und Ausführung schleppten sie über den Boden und mussten anmutig mit einer Hand hochgehalten werden. Dazu gab es noch kle i ne Umhänge oder Mäntel oder Federboas.
    Auch die Frisuren waren damals noch Frisuren – nicht so wie heute, wo man sich mit dem Kamm durch das Haar fährt, und die Sache ist erledigt. Das Haar wurde gelockt und gekrä u selt und eingedreht, über Nacht mit Lockenwicklern gequält und mit der heißen Brennschere g e wellt. Wenn eine junge Dame auf den Ball ging, fing sie mindestens zwei Stunden vorher an, sich die Haare zu machen; allein für die Fr i sur brauchte sie eineinhalb Stunden.
    Das war freilich nicht meine Welt. Es war die Welt der Erwachs e nen, von der ich mich fernhielt. Was Marie und mich nicht daran hinderte, über die Toiletten der Mad e moisellen zu diskutieren.
    Der Zufall wollte es, dass wir in unserer Straße keine Nac h barn mit Kindern in meinem Alter hatten. Darum organisierte ich mir, wie ich es schon früher getan hatte, meinen eigenen Kreis von Freundinnen – als Nachfolg e rinnen von Pudel, Eichhörnchen, Baum und den viel strap a zierten Kätzchen. Diesmal erfand ich mir eine Schule – aber nicht, weil ich den dringenden Wunsch verspürte, zur Schule zu gehen. Nein, ich war ganz ei n fach der Ansicht, dass eine Schule sich am besten dazu ei g nete, für sieben Mädchen verschiedenen Alters und unterschiedlichen Aussehens den Hintergrund a b zugeben. Jedes Mä d chen musste eine andere Herkunft haben und aus einem anderen Milieu kommen. Die Sch u le selbst hatte keinen Namen; sie war einfach die Schule.
    Die ersten Mädchen, die ich in meiner Schule aufnahm, hi e ßen Ethel Smith und Annie Gray. Ethel war elf und Annie war neun. Ethel Smith war dunkel und hatte lange Haare. Sie war klug, tat sich bei Spielen he r vor, hatte eine tiefe Stimme und muss ziemlich maskulin ausgesehen haben. Annie Gray, ihre beste Freundin, war das genaue Gegenteil. Sie hatte flach s blondes Haar und blaue Augen, war schüc h tern und nervös und weinte leicht. Sie hing an Ethel, die sie bei jeder Gelege n heit in Schutz nahm. Ich hatte beide gern, gab aber der beherzten und leben s vollen Ethel den Vorzug.
    Bald kamen zwei weitere Mädchen hinzu: Isabella Sull i van war sehr reich und wunderschön, sie hatte goldblo n des Haar und braune Augen. Sie war elf. Ich mochte Is a bella nicht – ich mochte sie ganz und gar nicht. Sie war »weltlich«. (Weltlich war ein oft gebrauchtes Wort in den Geschichtenbüchern jener Zeit.) Isabella war zweifellos der Inbegriff weltlicher Gesi n nung. Sie spielte sich groß auf, prahlte mit ihrem Reic h tum und trug Kleider, die viel zu teuer für sie und zu »erwachsen« für ein Mädchen i h res Alters waren. Elsie Green war ihre Co u sine. Elsie hatte etwas von einer Irin. Sie hatte blaue Augen und dunkles lockiges Haar, war immer fröhlich und lachte viel. Sie kam ganz gut mit Isabella aus, putzte sie aber manchmal herunter. Elsie war arm; sie trug Isabellas a b gelegte Kleider.
    Mit diesen vier Mädchen kam ich eine Zeitlang gut aus. Sie fuhren auf meiner Ringbahn, ritten, verrichteten Ga r tenarbe i ten und spielten häufig Krocket. Ich organisierte Wettkämpfe und Turniere. Meine große Hof f nung war immer, dass Isabella nicht gewinnen würde. Ich schwi n delte nicht, tat aber sonst alles, um sie nicht gewinnen zu lassen – wenn sie an der Reihe war, hielt ich das Schla g holz nur nachlässig, spielte unüberlegt, zielte überhaupt nicht, und doch: Je ungeschickter ich spielte, desto erfol g reicher schien Isabella

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