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Meine letzte Stunde

Meine letzte Stunde

Titel: Meine letzte Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Salcher
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anhält. Nicht der Tod und der Totenkult sollten im Vordergrund einer humanitären Gesellschaft stehen, sondern der würdevolle Umgang mit dem Sterbenden. „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben“, formuliert Cicely Saunders, Mitbegründerin der Hospiz-Bewegung, das Anliegen.
    Wie man an seinem Reichtum oder seiner Prominenz sterben kann
    Einfache Menschen scheinen sich im Allgemeinen in der letzten Lebensphase leichter zu tun als solche, die über Wohlstand, wichtige gesellschaftliche Beziehungen und eine spannende Aufgabe verfügt hatten. Offenbar sind jene, die harte Arbeit gewohnt gewesen sind, ihre Kinder ordentlich aufgezogen und darin Erfüllung gefunden haben, eher imstande, dem Tod mit Würde und Fassung entgegenzutreten, als jene, die daran gewohnt waren, alle Entscheidungen selbst zu treffen, andere zwar zu beherrschen, aber über wenige tiefer gehende menschliche Beziehungen verfügen. [7]
    „Seit den 90er Jahren hat die Globalisierung des Wissens dazu geführt, dass man in allen gut geführten Kliniken der Welt die gleiche Therapie erhält. Der Fortschritt der Medizin in den letzten 20 Jahren ist primär auf den intensiven Einsatz von klinischen Studien zurückzuführen, das heißt, man weiß aufgrund von empirischem Datenmaterial, ob die Therapie A wirksamer ist als die Therapie B. Daraus folgt, dass in den westlichen Ländern zumindest Menschen mit einer Sozialversicherung überall die gleiche, nämlich die statistisch wirksamste Therapie erhalten. Natürlich versuchen Menschen, die über Reichtum oder Einfluss verfügen, für sich eine ‚bessere‘ Therapie zu erreichen – die es aber nicht geben kann. In funktionierenden Gesundheitssystemen gibt es keine besonderen Therapien nur für die Reichen. Die Reichen und Mächtigen sind aber gewohnt, wichtige Entscheidungen selbst zu treffen, nur fehlt ihnen in diesem wichtigsten aller Fälle, nämlich wenn es um ihr Leben geht, die notwendige Kompetenz. Ein Laie kann nicht wissen, welcher Arzt auf einem bestimmten Gebiet der beste ist, er kann nur herausfinden, welcher der bekannteste oder welcher ihm der sympathischste ist. Darin liegt sogar eine Falle, weil besonders prominente und nette Ärzte nicht immer die besten sind“, meint Christoph Zielinski, einer der führenden europäischen Krebsexperten.
    Schah Reza Pahlavi litt an einem Lymphknotenkrebs, was nach damaliger Lehre mit der Entfernung der Milz behandelt wurde. Natürlich musste es auch ein berühmter Arzt sein, denn der Schah konnte sich nicht von einem einfachen Oberarzt operieren lassen. So kam man nach intensiver Suche auf Michael Ellis De Bakey, einen libanesischen Maroniten, der als Schöpfer der modernen Herzchirurgie und als Weltstar galt. De Bakey war damals 72, der führende Herzchirurg der Welt, aber es war sicher schon sehr lange her, dass er eine Milz operiert hatte. Es kam nach der Operation zur einzig möglichen Komplikation, nämlich einem Milzabszess, und daran verstarb der Schah innerhalb weniger Monate, nicht am Krebs. Letztlich starb der Schah an seinem Reichtum, der es ihm ermöglichte, alle seine Vorurteile gegenüber Ärzten auch zu verwirklichen.
    Audrey Hepburn starb an einem Mastdarmkarzinom. Da sie immer stärker unter Blutverlust litt, ging sie von einem Modearzt in Paris zum nächsten, die ihr unterschiedliche Empfehlungen gaben, wie einfach an der Côte d’Azur ein paar Wochen auszuspannen. Der Blutverlust wurde aber immer ärger und sie immer schwächer. Eines Tages empfahl ihr der Modedesigner Hubert de Givenchy seinen ganz normalen Hausarzt. Dieser ließ sich von der Prominenz Hepburns nicht beeindrucken und machte das Gleiche, das er mit all seinen Patienten mit diesem Symptom machen würde – ein simples Blutbild. Etwas, auf das zwei Jahre lang alle Modeärzte verzichtet hatten, weil sie für den Weltstar meinten, aus der Routine ausbrechen zu müssen. Das Blutbild, das fast keine weißen Blutkörperchen mehr enthielt, zeigte einen bereits fortgeschrittenen Krebs.
    Die zwei Beispiele zeigen, dass gerade die Erfolgreichen, Berühmten und Wohlhabenden manchmal im Angesicht des Todes die Allerärmsten werden. Sie sträuben sich besonders heftig, dass am Ende alle Menschen gleich sind. Sie kämpfen erbittert einen aussichtslosen Kampf, statt ab einem bestimmten Zeitpunkt gelassen zu gehen. Dadurch provozieren sie ständig Ablehnung in ihrem Umfeld und werden dabei immer verzweifelter. Einen schönen Tod kann man sich

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