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Meine letzte Stunde

Meine letzte Stunde

Titel: Meine letzte Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Salcher
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nächste Mal wieder wie von einem Gummiband in die falsche Richtung gezogen zu werden. Die anderen sind fähig, aus Fehlern zu lernen und das nächste Mal tatsächlich anders zu handeln. So wie unser Leben Phasen der Euphorie und des Überschwanges kennt, gibt es auch jene der Zartheit und Verletzbarkeit. Sobald wir gelernt haben, uns selbst liebevoll zu sehen, brauchen wir die Begegnung mit uns selbst nie zu fürchten, wann immer und wo immer diese auch stattfinden wird. Gelegenheiten dafür gibt es stets genug.
     
    Oft und viel lachen; den Respekt von intelligenten Leuten und die Zuneigung von Kindern gewinnen; sich die Anerkennung aufrichtiger Kritik erwerben und den Betrug falscher Freunde ertragen; Schönheit anerkennen; das Beste in anderen Menschen finden; die Welt ein bisschen besser verlassen – sei es durch ein gesundes Kind, durch einen Blumengarten oder eine verbesserte soziale Bedingung, wissen, dass wenigstens ein Leben leichter geatmet hat, weil Du gelebt hast – das bedeutet, erfolgreich gewesen zu sein.
    Ralph Waldo Emerson
    Das Erkennen von Licht und Finsternis
    Ich ziehe das Suchen nach der Wahrheit der Wahrheit vor.
    Gotthold Ephraim Lessing
     
    Wenn nur mehr 20 Prozent der Menschen in Europa an die Hölle glauben, werden sie nicht aus Furcht vor Strafe im Jenseits richtig handeln, sondern nur aus eigenem Erkennen. In der Welt des 21. Jahrhunderts sollten wir uns nicht vor den Mächten der Finsternis fürchten, sondern nur dann erschrecken, wenn wir aus eigener Unwissenheit Licht und Dunkel nicht unterscheiden können. Licht und Dunkelheit stehen somit nicht für Gut und Böse, sondern für das Erkennen und für das Nichtwissen. Das heißt: Je mehr ich erkenne, begreife, spüre und weiß, umso näher kann ich meinem Licht kommen.
    Dieses Nichterkennen von Licht und Dunkel ist auch eine der Hauptursachen für unseren Groll gegen andere. Wenn wir mit offenen Augen durch die Welt gehen, gibt es Dinge, die für uns sichtbar sind: Gebäude, Umwelt, Menschen. Wenn wir die Menschen genauer anschauen, wissen wir, dass es Dinge gibt, die da sind, obwohl wir sie nicht sehen können: Ängste, Hoffnungen, Gefühle. Ein Großteil unserer Probleme mit anderen Menschen kommt aus unserer Blindheit ihrem Standpunkt gegenüber, wir können ihn schlicht nicht sehen. Wir werfen ihnen vor, dass sie uns aus Schlechtigkeit, Bosheit und Rücksichtslosigkeit verletzt haben. Und noch mehr erregen wir uns darüber, dass sie nicht einmal den Funken einer Einsicht zeigen, statt zu begreifen, was sie uns angetan haben. Würde ein unbeteiligter Dritter die Täter über ihre Motive befragen, könnte er oft überrascht feststellen, dass diese sich ihrer Schuld überhaupt nicht bewusst sind, weil sie das Dunkle, das ihr Handeln bei uns auslöst, gar nicht erkennen können.
    Entscheidend ist es zu akzeptieren, dass das deren Problem ist und nicht unseres. Je schneller wir jede Erwartung daran aufgeben, dass jemand die Welt so wie wir sieht, umso schneller werden wir uns mit uns selbst versöhnen – und es wird uns besser gehen. Das soll nicht heißen, dass die Guten immer nachgeben sollen, um die Herrschaft des Bösen zu ermöglichen. Ganz im Gegenteil. Ich meine nur, dass die persönlichen Streitereien und Konflikte aus der Perspektive der letzten Stunde überhaupt nicht wichtig sind und wir uns daher nicht in sie vertiefen sollten. Gibt es nicht schon genug getrennte Paare, die trotz gemeinsamer Kinder nicht in der Lage sind, überhaupt noch miteinander reden zu können? Welche persönlichen Konflikte sind schon für ein ganzes Leben so relevant, dass wir ihnen die Macht geben, dass sie am Ende auf unsere Seele drücken?
    Viel wichtiger ist zu erkennen, dass auch wir andere verletzt haben, ohne es überhaupt bemerkt zu haben. Es gibt fast nichts, das uns menschlich so weiterbringt, wie ständig an der Fähigkeit zu arbeiten, Licht und Dunkel in unserem Handeln unterscheiden zu können – vor allem in den kleinen Dingen.
    Nehmen wir als Beispiel etwas scheinbar Selbstverständliches: Freundlichkeit. Was ist Freundlichkeit? Das ist etwas, das heute oft verloren geht, weil wir glauben, einfach nicht mehr die Zeit dafür zu haben. Wir haben immer die Möglichkeit, zu einem anderen uns Unbekannten freundlich, zuvorkommend und rücksichtsvoll zu sein oder unwirsch, ärgerlich und egoistisch. Jedes Mal, wenn ein Flugzeug gelandet ist und die Fast-Seat-Belts-Zeichen erloschen sind, kann man alle anderen Fluggäste und auch sich

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