Meine letzte Stunde
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[2]
Richard David Precht: Liebe. Ein unordentliches Gefühl, München 2009, S. 162 f.
[3]
Nach der Filmvorführung am 27. September 2008 im Wiener Gartenbaukino stellte sich Sandrine Bonnaire einer Publikumsdiskussion.
[4]
Christoph Schlingensief: So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein! Tagebuch einer Krebserkrankung, Köln 2009, S. 91 und S. 101
[5]
Andreas Salcher: Der verletzte Mensch, Salzburg 2009, S. 217
[6]
Hermann Hesse: Lebenszeiten, Frankfurt am Main 1994, S. 89 ff.
[7]
Richard David Precht: Liebe. Ein unordentliches Gefühl, München 2009, S. 242
[8]
Ebd., S. 297
[9]
Erich Fried: Was es ist, aus: Es ist was es ist, © Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1983.
[10]
Hermann Hesse: Lebenszeiten, Frankfurt am Main 1994, S. 90–92
Vom Licht und der Finsternis
Wenn es dunkel genug ist, dann kann man die Sterne sehen.
Martin Buber
Es fällt gar nicht leicht, uns vorzustellen, wie sehr die Menschen früherer Jahrhunderte unter der Angst vor der Nacht litten. Diese Angst vor der Dunkelheit können wir sehr wohl noch bei Kindern, aber auch bei uns selbst erleben, wenn der Strom in einem ganzen Stadtteil plötzlich ausfällt oder wir bei einer Wanderung von der Dunkelheit einer mondlosen Nacht überrascht werden. Dann kann auch Erwachsene die Angst überkommen, von der Dunkelheit verschluckt zu werden. Hinter der Angst vor der Dunkelheit steckt unsere Angst vor dem Unbekannten. Und so wie wir die äußere Dunkelheit fürchten, fürchten wir auch die Dunkelheit in den verborgenen Winkeln unserer Seele. [1] Immer Licht ist genauso schlimm wie dauernd Finsternis. Wir können erkennen, dass es einen Lichtschalter gibt und dass wir ihn benutzen können. Die Angst vor der letzten Stunde kommt aus der Unwissenheit darüber, wo wir unser Licht finden können. Es geht darum, sein Leben so zu leben, dass man sich am Ende wieder erkennt.
Oft gehen wir kurzsichtig durch unser Leben und sehen das Wichtigste nicht: Wir sehen nicht, was wir sein könnten. Wir tendieren im Lauf unseres Lebens immer mehr dazu, nur jene Informationen wahrzunehmen, die unsere Sicht der Dinge bestätigen. Dadurch verfestigt sich das Bild von der Welt immer mehr. Wir sehen fast nur mehr, was wir sehen müssen, um zu überleben, und werden blind gegenüber dem großen Rest der Realität. Um uns und andere besser zu verstehen, müssen wir lernen, genau diese Dinge, die wir nicht sehen können, sichtbar zu machen. Mit diesem Wissen beginnt jede Veränderung:
• Das sanfte Hinschauen auf das eigene Leben
• Das Erkennen von Licht und Finsternis
• Die Annäherung an sich selbst
Das sanfte Hinschauen auf das eigene Leben
Heute brauchen viele Menschen eine Skala, um ihr Leben bewerten zu können: Wie erfolgreich ist mein Leben im Vergleich zu anderen? Bin ich schön genug? Wie anziehend ist mein Partner? In wie viele Länder bin ich schon gereist? Wie viel verdiene ich? Dabei vergleicht man sich immer mit jenen, von denen man meint, dass sie mehr empfangen haben: mehr Intelligenz, besseres Aussehen, mehr Chancen, mehr Glück. Wie entkommt man der reinen Schwarz-Weiß-Malerei, die nicht differenzieren kann und nur den Weg des Superstars oder des Totalversagers kennt? Denn das endet fast immer beim Totalversager, weil es nur wenige Superstars geben kann – von denen die meisten wiederum ziemlich unglücklich sind.
Der Weg aus der Vergleichsfalle ist die Übung im sanften Hinschauen auf sein eigenes Leben. Wenn man ein Bild betrachtet und dann mit den Augen zu blinzeln beginnt, entdeckt man neue zusätzliche Facetten in dem Bild. Ein scheinbar unbedeutendes Detail entpuppt sich schließlich als wichtiges Element, etwas auf den ersten Blick Unsichtbares wird auf einmal sichtbar. Nach einer Stunde hat ein Bild eine andere Bedeutung für uns, es ist nicht mehr dasselbe. Lebenskunst heißt, genauer auf das Bild, das Ihr eigenes Leben im Augenblick darstellt, hinschauen zu lernen und es mit unterschiedlicher Schärfe sehen zu können: Das kann der strenge Anspruch sein, das Beste aus Ihrem Leben machen zu wollen, genauso wie das Verständnis dafür, dass Sie diesen hohen Ansprüchen an sich selbst nicht immer gerecht werden konnten. Wie bewertet man sein Leben, ohne in Selbstgeißelung oder Allmachtsträume zu verfallen?
Meistens weiß man genau, was man hätte tun sollen, und hat trotzdem anders gehandelt. Wir Menschen sind so. Was uns unterscheidet, ist, dass die einen sich zwar immer Vorwürfe machen, um das
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