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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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einem Infarkt im Programm. Wenn nicht notarztmäßig eingegriffen wird, droht Stagnation.)
    Ich schaue gleich zu Sgarbi, der immer wieder nickt und damit sein Einverständnis wenn nicht mit dem Inhalt, so wenigstens mit der Ästhetik der Meinung erklärt, die Ambra soeben zum Ausdruck gebracht hat.
    »Ganz richtig«, erteilt er sich nun selbst das Wort, »gut bemerkt. Ich glaube, Vernünftigeres kann man zu der Frage nicht sagen.«
    Ambra ist heilfroh, dass sie die Klippe des Zynismus umschifft hat.
    Emanuele Filiberto klimpert zweimal in Folge mit den Lidern, als ob es ihm ein Rätsel wäre, weshalb Sgarbi ihre Äußerung so erschöpfend fand.
    »Darf ich dich fragen«, richtet sich Bignardi an Ambra und deutet einen Schritt an, den sie gleich wieder zurückzieht (das ist ihre Art, die tendenzielle Unbeweglichkeit der Moderatorenrolle zu bekämpfen, ohne dass sie gleich durchs Studio spaziert, wie das manch andere ihrer Kollegen tun, etwa Giovanni Floris, der auf Sendung dermaßen durch die Gegend hastet, dass man manchmal nicht mehr weiß, wo er gerade steckt), »auf wessen Seite warst du?«
    »Auf der des Camorristen bestimmt nicht«, antwortet sie.
    Man hört einzelne Lacher, gefolgt von Applaus.
    Daria scheint verärgert.
    »Ist euch schon mal aufgefallen«, wende ich mich jetzt an alle und keinen, um die schlechte Stimmung, die in der Luft liegt, zu verscheuchen, »dass kurz nach den ersten Lachern der Applaus kommt? Fast so wie der zweite Nieser, meint ihr nicht?«
    Sprachlos drehen sich alle zu mir.
    Ich warte ab.
    Die Pointe braucht ein wenig Zeit.
    Der Erste, der sie kapiert, ist De Cataldo, der mir kräftig auf den Oberschenkel klopft. Nach und nach kommen auch die andern und erklären durch Nicken und leises Kichern ihre Zustimmung zu meinem raffinierten Vergleich.
    Und auch ich ernte ein paar Klatscher.
    Fabrizio Corona fängt eine Kamera ab und wirft ihr einen grimmigen Blick zu.
    »Der zweite Nieser, sehr gut, Malinconico, genau dieselbe Verdoppelung«, erkennt Daria an.
    »Eben«, bestätige ich zufrieden.
    »Aber du hast ganz recht, Ambra«, bringt sie die Sache jetzt auf die persönliche Schiene, »ich hätte mich klarer ausdrücken sollen. Die Alternative war ja so: auf der einen Seite ein verzweifelter, Gerechtigkeit einfordernder Vater, auf der anderen ein Anwalt, der mit seiner Auffassung, Gerichtsverhandlungen gehörten ins Gericht und nicht ins Fernsehen, die Tragödie zu verhindern versuchte.«
    Sgarbi atmet geräuschvoll aus und fährt sich mit der Hand übers Haar, als ob ihm plötzlich heiß geworden wäre. Und tatsächlich ist diese Klarstellung von Daria, sosehr man damit einverstanden sein mag, ziemlich rhetorisch geraten.
    »O, selbstverständlich war ich ein Fan von Malinconico«, entblödet sich Ambra nicht zu antworten. Und schenkt mir ein Lächeln, das ich lustlos erwidere.
    »In Vorbereitung auf unsere Sendung«, geht Bignardi souverän über ihre kurzfristige Verstimmung hinweg und konzentriert sich mit bewundernswerter Professionalität wieder auf ihr Programm, »haben wir eine Umfrage unter verschiedenen Zuschauergruppen gemacht, mit dem Ergebnis, dass alle, aber auch wirklich ausnahmslos alle Befragten während der Live-Übertragung auf Malinconicos Seite standen. Heißt das, dass unser Land sehr viel mehr auf den Rechtsstaat hält, als wir denken? Dass die Anwälte populärer sind, als man gemeinhin annimmt? Oder betrifft dieser Konsens lediglich Malinconico? De Cataldo?«
    »Nun«, antwortet der schriftstellernde Richter und rutscht, kalt erwischt von der Frage, auf seinem Sessel herum, »so sympathisch mir Malinconico ist, so weit, ihn als Liebling der Italiener zu bezeichnen, würde ich nun nicht gehen.«
    »Und warum nicht?«, wende ich ein.
    Lacher.
    »Weil du eine andere Gangart hast«, antwortet er.
    ›Das stimmt leider‹, denke ich.
    »Heißt das, dass Sie ihn gerne als Protagonisten in einem Ihrer Romane hätten?«, packt Bignardi die Gelegenheit beim Schopf.
    »Wäre vielleicht gar nicht mal schlecht«, sagt De Cataldo.
    »Wir brauchen uns bloß über die Tantiemen zu verständigen«, bemerke ich prompt.
    Applaus. Ich weiß nicht, ob für mich oder für ihn.
    »Aber wenn ich auf Ihre Frage zurückkommen darf«, wendet sich De Cataldo erneut an die Moderatorin, »ich habe den Verdacht, gerade die Trennung zwischen Befürwortern der Selbstjustiz und Anhängern des Rechtsstaats ist der Irrweg, der für die Verbreitung des allgemeinen Misstrauens gegenüber der Justiz

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