Meine Suche nach der besten Pasta der Welt
nie dabei. Sie sitzen mürrisch in ihrem Wohnwagen, trinken Whisky und spielen Karten. Das ist jedenfalls meine Vermutung. Es ist mir nie entgangen, dass bei jeder Vorstellung zahlreiche Mütter ihre panisch schreienden Kinder vors Zelt tragen, wenn die Clowns die Manege betreten. Achten Sie mal drauf: Das Lachen, was man in der Manege zu hören meint, sind kulminierte Angstschreie. So musste ich es auch die ersten Male mit meiner Elisabetta machen, und bei meinem letzten Besuch nahm ich meinen Mut zusammen und fragte Giorgio nach den Clowns. »Wir Erwachsene finden sie nicht witzig, und die Kinder fürchten sich vor ihnen«, sagte ich so diplomatisch wie möglich. »Na ja«, überlegte Giorgio, »das mag stimmen, aber Clowns gehören halt einfach zum Zirkus, und man kann nicht einfach so auf sie verzichten.« Clowns weigern sich also, Platz zu machen, obwohl sie nachweislich eher schaden als nützen: Diese Antwort verstört mich bis heute.
Was die Hosteria angeht: Viele Studenten waren zum Essen gekommen (Ferrara verfügt über gleich mehrere Universitäten, darunter eine renommierte Architektur-Fakultät.), und die Cappellacci waren wirklich fein. Was mich ein bisschen störte, war die enorme Dimension der
Räumlichkeiten. Die sauber aufgereihten Tische zogen sich endlos durch den Saal. Wir Deutsche sind halt kitschanfällig: Wir suchen die kleine, feine Nudel jenseits des Trubels. Alles, was nur annährend nach Massenabfertigung aussieht, löst unbestimmte Allergien in uns aus. Ich nahm mir vor, tendenziell eher auf dem Land als in der Stadt nach der besten Nudel der Welt zu suchen.
Am nächsten Tag führte uns Titi durch ihr persönliches Ferrara. Es war erwartungsgemäß weder die abgefuckte Untergrund-Kulturszene noch eine geheime Drogenparty mit Rapmusik in der Ruine eines innerstädtischen Parkhauses, sondern eine entzückend herausgeputzte Schokoladen-Manufaktur namens »Offeleria Rizzati«. Die Besitzerin begrüßte Titi, wie man eben Menschen begrüßt, die jeden Tag dort zum Naschen kommen. In dem schmalen Laden gab es Pralinen und Schokolade in jeglicher Süßestufe, mit Mandeln, Nüssen, Orangen oder Minze, in Hunde-, Hemden- oder Krawattenform und sogar als Weinflasche, gefüllt mit 0,75 Liter zähflüssiger Füllung. Zum ersten Mal in meinem Leben kaute ich eine rohe, unbehandelte Kakaobohne, und ich wusste sofort: Das muss die Definition von bitter sein. Diese kleine Bohne war kaum hinunterzuwürgen. Wie haben die Menschen bloß vor der Erfindung des Zuckers so etwas essen können? Kakaobohnen waren ja auch ungesüßt eine begehrte Delikatesse. Irre. Wahrscheinlich sind wir im 21. Jahrhundert alle verweichlicht.
Die Besitzerin schenkte uns am Ende noch heiße Schokolade ein, und natürlich kleckerte ich meine Jacke voll. Das dicke Zeug war kaum mit Würde zu trinken.
Auf Titis Lipgloss blieb noch eine ganze Zeit ein winziger Kakaotropfen kleben, und würde ich auf blond und herausgeputzt stehen, dann würde ich jetzt sagen, dass das ziemlich verführerisch aussah. Aber mit Titi durfte ich es mir nicht verscherzen (und mit meiner Frau sowieso nicht), denn Titis Verlobter Claudio ist nicht nur Pilot der italienischen Luftwaffe, sondern stammt auch aus Neapel; von ihm erwartete ich mir noch einige Tipps für meine Reise in diese Richtung. Es ist übrigens erstaunlich, von wie viel fliegendem Personal ich im Familien-und Freundeskreis umgeben bin. Mein Cousin Oliver und Claudio: Piloten der deutschen und italienischen Luftwaffe. Mein Golfkumpel Paolo: Pilot der Alitalia. Lauras Schulfreundin Giulia: Pilotin der Air France. Und alle mussten sich schon meine Leier von der Flugangst anhören – so wie Sie auf den ersten Seiten dieses Buches. Vielleicht sollte ich doch bald mal eine andere Platte auflegen und mir eine neue, spannende Neurose suchen, aber das könnte das Thema für ein anderes Buch sein.
Also, Ferrara: Wir aßen noch im Restaurant »La Provvidenza«, etwa 500 Meter von der Burg entfernt, und wir aßen sehr gut, was mich nicht verwunderte, war es doch von Paolo empfohlen worden. Aber es muss doch mal gesagt werden: Ferrara ist keine Pastahochburg. Neben Fahrrädern und Clowns bietet Ferrara vor allem Salami in allen Variationen. Wer die beste Salami der Welt sucht, könnte hier fündig werden. Dazu gibt es gute Pasta, keine Frage. Aber hier finden eher die Salami-Liebhaber ihre Erfüllung.
Die Geschichte der Pasta Teil 4:
Italien vs. Frankreich oder Pasta vs. Schnecken in
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