Meine Suche nach der besten Pasta der Welt
überraschenderweise heftig bestritten wird, obwohl es eine Menge Belege gibt.
Weil nicht ein jeder Franzose böse ist, kommt hier noch ein nettes Zitat von Alain Ducasse, den ich selbst nie getroffen habe, der aber dem Vernehmen nach ein äußerst angenehmer Mensch sein soll, trotz seiner 103 Michelin-Sterne: »Von Nudeln lasse ich grundsätzlich die Finger«, sagte er einem befreundeten Journalisten. »Das machen Italiener besser.«
Apulien
Hier möchte ich bitte beerdigt werden
I ch konnte mein Glück lange nicht fassen: Im Februar 2011 war ich in Apulien eingeladen, von einem Hotelier und Kunstfreund namens Vittorio Muolo, der in seiner Masseria Torre Coccaro ein paar Mal im Jahr Kreative einlädt, die ein paar Wochen dort wirken können. Die Wahl fiel auf mich, denn Vittorio ist mit einer ehemaligen Redakteurin einer Frauenzeitschrift zusammen, für die ich lange Jahre geschrieben habe. Das qualifizierte mich offenbar als Künstler. Sie hatte Vittorio angestupst und auf mich gebracht.
Die Einladung kam mir aus drei Gründen recht. Erstens schmeichelte sie meinem Ego in erheblichem Maße. Zweitens ist ausgerechnet Apulien, die Hacke Italiens, neben der Emilia-Romagna der zweite Anker der Pasta-Herstellung und -Vertilgung, ich konnte mich also in den Wochen meines Aufenthalts meinem Buch voll und ganz hingeben. Und drittens verfügt die Masseria Torre Coccaro über eine hauseigene Driving-Range und einen Neun-Loch-Platz, wo ich weitere Schritte auf meinem Weg zum Profigolfer unternehmen konnte.
Am ersten Abend fuhr ich mit Vittorio nach Bari. Ich schnallte mich an. Denn Vittorio fuhr flott, wobei man »flott« in der Definition eines Formel-1-Piloten verstehen sollte. Er schnitt durch einen undurchdringlichen Stau mit Tempo 90, und ich stellte mir die Frage, ob ein Buch wie dieses meinen Tod wert sein würde. Es war, als würde man die großartige Verfolgungsjagd in dem Film »Ronin« sehen, bloß nicht auf der Leinwand, sondern direkt vor der Windschutzscheibe. Dabei war Vittorio ein tiefenentspannter Raser, er plauderte munter mit mir und ließ sich durch quietschende Reifen, Kurvengeschlitter und zur Seite springende Passanten überhaupt nicht aus der Ruhe bringen. Es war schon dunkel, ein früher Abend im Winter, und zunächst sammelten wir Vittorios Freunde ein – zwei hatten einen Friseursalon, einer ein Geschäft für schöne Stoffe. In dem Stoffgeschäft hörten meine Beine auch langsam auf zu schlottern. Dann gingen wir in eine Aperitif-Bar namens »Dona Flor«, wo ich, während die anderen Weißwein tranken, ein Bier bestellte. Man muss sein Deutschsein ja auch mal ungeniert ausleben dürfen. Außerdem war mein Puls immer noch etwas zu hoch.
Wir zogen weiter ins »Bella Bari«, eine alteingesessene Trattoria, die erst kürzlich neu eröffnet hatte und ein wenig auf New York machte – alles war weiß und schlicht
und reduziert, aber ich verstand schnell, warum. Als ich mich umsah, habe ich keinen einzigen hässlichen Menschen gesehen. Das mag jetzt etwas faschistisch klingen, aber es war wirklich unglaublich. An den Tischen saßen bezaubernde Frauen jeden Alters, die in jeder männlichen Fantasie eine tragende Rolle spielen könnten. Vittorios Freunde schauten eher auf die männlichen Begleiter, aber umso besser; so kamen wir uns nicht in die Quere. Und immer mehr schöne Frauen perlten in den Laden hinein, und alle kannten Vittorio, der aufstand, jeden grüßte und mich vorstellte. Ich konnte nur dümmlich lächeln, weil es mir die Sprache verschlagen hatte.
Dann ging es ans Bestellen. Vittorio fragte mich, ob ich crudo möge, also rohes Zeug in fischiger Form. Welcher Gast bin ich denn, dass ich mich zieren würde? Außerdem war ich ja ein Sushi-Fanatiker. Es sollte also nichts schiefgehen. Doch was dann kam, ließ mich noch lange an Vittorios Frage und an alle Antwortoptionen denken, die ich leichtfertig ausgeschlagen hatte. Denn der Reigen begann mit ricci di mare , rohen Seeigeleiern in Seeigelschale. Seeigel schmeckt, als würde man in einen Tiefseefisch beißen – in einen rohen, schlechtgelaunten Tiefseefisch. Ein sehr, sehr heftiger Auftakt für schlappe Geschmacksnerven. Glücklicherweise wurde dazu Brot gereicht, mit dem man die ricci auftunken konnte. Der Brotkorb war schnell leer. Danach kam roher Tintenfisch. Nicht in Scheibchen oder Ringen, sondern ganz, inklusive Organen und Tentakeln. Ich knabberte ein bisschen an ihm herum. Es folgten rohe Venus- und Miesmuscheln, und endlich
Weitere Kostenlose Bücher