Meine Suche nach der besten Pasta der Welt
kamen frische Scampi und Gamberi auf den
Teller. Das war doch mal ein Wort! Sushi halt, bloß ohne Reis. Wie frisch waren sie? So frisch, dass sie noch zuckten, obwohl ihr Schwanz schon vom Chitinpanzer befreit war. Sie waren, obwohl schon gehäutet, noch putzmunter. Ich unterdrückte einen Würgereflex und versuchte, sie schnell zu töten, indem ich den Schwanz abschnitt und das Fleisch verschlang, bevor es noch im Mund herumzuckte. Was ich dann sah, war wirklich zu viel: Die Köpfe lebten noch weiter, die Fühler und Vorderbeinchen bewegten sich und krochen über den Teller . Entschuldigung, aber könnte ich bitte Spaghetti Carbonara haben? Der Inhaber des Stoffgeschäfts sah meinen Gesichtsausdruck und breitete seine Serviette als Leichentuch über den Teller aus, um mir den Anblick zu ersparen. Der ganze Tisch lachte. Ja, habt ihr nur alle euren Spaß mit mir.
Sollte ich in der Religionslotterie das falsche Los gezogen haben, werde ich auf ewig in der Buddhistenhölle schmoren beziehungsweise als niederstes Tier wiedergeboren werden. Die Buddhisten haben ja den heiligen Berg Kailash. Die Umrundung des »Berges der Götter« in 5000 Metern Höhe ist 53 Kilometer lang, und jede Umrundung bedeutet für die Gläubigen eine günstigere Stufe der Wiedergeburt (statt als Weidegras kommen sie vielleicht als Mehlwurm wieder). Manche Glaubensrichtungen des Buddhismus, die ja generell das Töten von jeglichem Getier ablehnen, und sei es noch so klein, verlangen, man müsse für jede getötete Kreatur einmal rum. Nur für bekehrte Metzger macht man eine Ausnahme: Sie müssen insgesamt zwölfmal herum und sind alle Sünden los.
Dieser rohe Gelee aus Seeigeleiern hat mir diesbezüglich den Todesstoß versetzt. Wie viele mochten das gewesen sein – zehntausend? Und was war mit den zuckenden Scampi? Doch ich habe für mich eine Regel gefunden: Kein Problem ist groß genug, als dass es nicht mit ausreichend kühlem Weißwein zumindest vorübergehend gelöst werden könnte. Und der Weißwein floss glücklicherweise reichlich an jenem Abend im »Bella Bari«, so dass am Ende alles ganz wunderbar war, obwohl ich bis zum Ende kaum wusste, wo ich hinschauen sollte, denn es gab nur schöne Frauen zu sehen – und wenn ich verlegen den Blick senkte, sah ich eine Stoffserviette, unter der es zuckte.
Ein unzeitgemäßes Geständnis: Ich liebe luxuriöse Hotels. Nicht, dass ich sie mir leisten könnte – ich verdiene weniger als der Durchschnitt meiner Vergleichsgruppe (Abitur + abgebrochenes Studium). Zugegeben, als Reisejournalist gibt es ein paar Tricks; zumeist ist die erste Nacht umsonst, die zweite Nacht zahlt man die Hälfte, die dritte Nacht dann den vollen Preis. Aber selbst so ein Arrangement kann ordentlich ins Geld schlagen, weil man ja noch die Schokoriegel aus der Minibar plündert und in der Hotelbar Neun-Euro-Biere trinkt. Für eine gute Geschichte jedoch sind noble Hotels unverzichtbar. Warum? Hier kommt ein Beweis ex negativo: Der angeblich große Reiseschriftsteller Paul Theroux ist vor 15 Jahren rund um die Mittelmeerküste gereist, von
Gibraltar über Frankreich und Italien bis runter nach Israel und Ägypten und, den Kreis schließend, zurück nach Marokko. In der deutschen Fassung heißt sein Buch über das Abenteuer säuselnd »An den Gestaden des Mittelmeers«, als wäre es ein Groschenroman mit einem reichen englischen Grafen, der sich an die Côte d‘Azur zurückgezogen hat und eine arme, aber herzensgute Bedienstete mit asthmakrankem Kind ehelicht, woraufhin das Kind gesund wird und Aschenputtel sich als verschollene Prinzessin eines vorderarabischen Königreiches entpuppt. Das Original immerhin tönt kerniger: »The Pillars of Hercules« (Die Säulen des Herkules oder Herakles – die altertümliche Bezeichnung von Gibraltar).
Das Buch ist meiner Meinung nach schlecht, obwohl es viele gut finden. Paul Theroux, der Amerikaner, entrüstet sich dreißig Seiten lang über Stierkampf und zehn Seiten lang darüber, dass man an den Kiosken angeblich Pornomagazine kaufen kann. Er glaubt das Märchen, dass man nicht in Luxushotels absteigen darf, sondern nur in schäbigen Familienpensionen, um das »wahre, das ursprüngliche« Land kennenzulernen. Theroux behauptet in einem Interview mit dem Magazin der Süddeutschen Zeitung : »Über ein teures Hotel kann man nichts schreiben. Es geht einem gut, man ist glücklich. Über gute Zeiten kann man aber nicht schreiben. Wenn ich mich wohl fühlen möchte, bleibe ich
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