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Meine zwei Halbzeiten

Titel: Meine zwei Halbzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Berger
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geblieben, nur hatten sie sich andere Krawatten umgebunden. Auch konnte ich mir nicht vorstellen, dass Mielke seinen Apparat
     von heute auf morgen eingestellt hatte. Und nicht zu vergessen: Es gab noch den Zwangsumtausch. Ich wollte nur in die DDR
     fahren, wenn ich kein Eintrittsgeld bezahlen musste, das befahl mir mein Stolz.
    Heiligabend 1989 wurde die Nachricht verkündet, die Mindestumtauschregelung sei auf Anordnung der DD R-Finanzministerin Uta Nickel außer Kraft gesetzt worden. Jetzt konnte ich meine Sachen ins Auto packen und meine Reise in die Vergangenheit
     starten, jetzt gab es keinen Hinderungsgrund mehr.
    Je näher ich dem Grenzübergang Herleshausen/​Wartha in der Nähe von Eisenach kam, umso angespannter wurde ich. Alles sah wie
     früher aus, die Grenzbeamten trugen noch dieselben Uniformen. Als ich den BR D-Pass abgeben musste, überlegte ich, ob ich einen Fehler gemacht hatte. Man wies mich an, links mit meinen BMW rauszufahren und
     den Wagen unter einer Art offenen Garage zu parken. Zollkontrolle. Eine Frau führte sie durch. Ich kann nicht sagen, dass
     ich vor Frauen Furcht habe, aber bei DD R-Kontrollen waren sie immer die strengsten und unangenehmsten.
    Die Zöllnerin stellte Fragen, die ich seit zehn Jahren nicht mehr gehört hatte, hauptsächlich ging es um Waffen, Munition
     und Devisen. Zum Schluss sollte ich den Kofferraum öffnen.
    «Was ist das?», fragte sie und wies auf einen Gegenstand.
    «Ein Kulturbeutel.»
    «Und was ist da drin?»
    Da mich die Frau nervte, sagte ich: «Kultur.» Natürlich konnte sie darüber nicht lachen. Sie verzog ihre Miene nur noch mehr
     in Richtung Militär, Kontrolle und System. Sämtliche Züge, die |230| ich an der DDR nie mochte, konnte ich in ihrem Gesicht ablesen. Aber wenn ich es mir genau überlegte, musste diese Arbeit
     auch ziemlich anstrengend für sie sein. Es kamen nun all die Menschen zurück in die DDR, die für diesen Staat nach vorheriger
     Auffassung nicht tragbar waren – Verräter, Provokateure und Feinde des Sozialismus.
    «Und was ist dort in der Tüte?», fuhr sie fort.
    «Souvenirs von Eintracht Frankfurt, einem Fußballverein, bei dem ich Trainer bin.»
    «Öffnen Sie die Tüte.» Ich tat, wie mir befohlen. «Und was befindet sich da unter den Wimpeln?»
    «Feuerzeuge, zwanzig Stück.»
    «Wieso brauchen Sie zwanzig Feuerzeuge?»
    Als ich gerade dabei war, ihr das zu erklären, kam ihr Vorgesetzter herbei und sagte knapp: «Genossin, gehen Sie doch bitte
     mal da rüber.» Ich war nun mit dem zweiten Gesicht der DDR konfrontiert. «Sie sind doch der Herr Berger von der Eintracht?»,
     fragte mich der Vorgesetzte leise, nachdem die Genossin außer Hörweite war.
    «Ja», sagte ich. Seitdem der Verein nicht abgestiegen und ich oft im Fernsehen aufgetreten war, erkannten mich auch viele
     DD R-Bürger . Ron hatte das zu seinem Leidwesen ja in Prag erfahren.
    «Sie haben doch sicher Souvenirs mit?»
    Wieder antwortete ich mit einem Ja.
    «Kann ich mir da nicht was aussuchen?» Der Grenzbeamte war näher herangetreten, hatte seine Stimme noch weiter gesenkt.
    «Sicher.» Schon im nächsten Moment beugte sich sein Kopf Richtung Tüte.
    «Einen Wimpel?»
    Ich nickte. Es gab diese Dinger in drei verschiedenen Größen, und ich hatte damit gerechnet, dass er sich den größten aussuchen
     würde. Falsch gedacht. Noch bevor ich überhaupt so schnell schauen konnte, hatte er seine Uniformmütze abgenommen, den |231| Wimpel, der genau darunter passte, hineingesteckt und sie wieder aufgesetzt. Das machte er derart flink, dass es fast wie
     ein Zaubertrick aussah. Bevor ich etwas sagen konnte, meinte er: «Sie können jetzt fahren.»
    Einen zweiten Zwischenfall hatte ich ungefähr siebzig Kilometer später, auf der Autobahn zwischen Eisenach und Jena. Plötzlich
     gab mir ein Polizist zu verstehen, dass ich rechts ranfahren sollte.
    «Haben Sie eine Ahnung, warum ich Sie herausgewinkt habe?»
    «Nein», erwiderte ich, guten Gewissens, dass ich nicht zu schnell gefahren war.
    «Sie fahren links, obwohl rechts alles frei ist.»
    «Aber die rechte Spur ist so schlecht.»
    «Wie teuer ist denn Ihr Auto?»
    «Das kann ich Ihnen nicht so genau sagen.» Natürlich hätte ich das gekonnt, aber ich wollte das nicht.
    «Bestimmt hat es eine gute Federung.»
    «Davon ist auszugehen.»
    «Nun sehen Sie mal, was sollen denn die Leute in ihren Trabis sagen, die haut’s in ihrer Kiste hin und her, und die fahren
     trotzdem rechts.»
    Eine solche

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