Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)
zu sein, und versprechen, nie mehr fortzugehen, und am besten sollte er ihm eine Belohnung anbieten für die durchlittenen Strapazen, zum Beispiel Pfannkuchen mit Himbeermarmelade.
Im selben Moment hob Fred die Hand zum Mund und machte: »U-U-U.« Tobi nickte, und seine Schuhspitzen formten einen auf Fred deutenden Pfeil, und er erwiderte: »U-U-U.« Jetzt wechselten sie sich ab, und Albert schloss die Augen und packte den Schminkklappspiegel in seiner Hosentasche. Freds Stimme trug, für Albert unüberhörbar, die Euphorie eines Kindes, das unverhofft auf einen Spielkameraden trifft.
Tobis angestrengtes Lachen flößte Albert Angst ein, er hielt es für besser, vorerst nicht einzuschreiten. Was konnte er Tobi schon entgegensetzen?
Tobi ohrfeigte Fred. Der wollte nicht sofort mit den Us aufhören, wurde nur langsamer, nahm dann erneut Tempo auf, ein paar Halbtöne höher, wahrscheinlich in der Hoffnung, der neue Kamerad habe das irgendwie anders gemeint, ein netter Wangenklaps oder so. »U-U-U«, machte Fred, und Tobis Füße deuteten auf ihn, und da kam die zweite Ohrfeige, traf Fred mitten ins Gesicht, und er verstummte. Der Trachtenhut segelte von seinem Kopf. Freds Lippen zitterten, er murmelteetwas, das Albert nicht verstehen konnte, von dem er aber vermutete, dass es eine Entschuldigung war, denn Tobi hatte ihm schließlich eine Ohrfeige verpasst, und wer ins Gesicht geschlagen wird, der hat etwas falsch gemacht, der ist böse gewesen. Fred ließ seine Hände, seinen Kopf, seine Schultern sinken, der ganze Fred schmolz, und Tobi, dessen Füße jetzt fidel tanzten, bei jedem Schritt nahe dran, sich gegenseitig zu treten, klatschte ihm noch eine, diesmal mit der Linken, verpasste ihm eine, dass Fred seitwärts torkelte.
Die Ludwigstraße war ein unbefahrener Streifen Teer in einem abgelegenen Kaff. Warum kamen nie Autos, wenn man welche brauchte? Albert hoffte auf Freds Gegenwehr, und ein bisschen fürchtete er sie auch. Mehr als ein bisschen. Erneut lugte er um die Ecke des Glascontainers, und diesmal bemerkte ihn Tobi, der soeben zum vierten Mal ausholte, den erhobenen Arm in der Luft schweben ließ wie ein sich meldender Schüler. Tobi sah zu ihm rüber. Da machte Fred einen Schritt auf Tobi zu und beugte sich vor. Freds Nasenspitze berührte fast die Wange des Milchwagenfahrers, es hatte etwas Konspiratives, wie die beiden Männer dort standen. Fred flüsterte etwas, das Tobis Hand nach unten zog. Seine Füße standen still. Erleichterung schob Albert Luft in die Lunge, er zwang sich, den Schminkklappspiegel loszulassen, und hoffte, dass Tobi endlich den Rückzug antreten werde.
»Das ist doch dein Dad«, sagte Tobi zu Albert im Tonfall eines ganz und gar Unbetrunkenen.
Dieses
Dad
klang für Albert wie
dead
.
»Ob das dein Dad ist!« Tobi verdeckte Fred zur Hälfte, seine Halbschuhe wiesen nun auf Albert.
Fred blickte zwischen den beiden Männern hin und her, als beobachtete er den Ball bei einem Tennismatch.
Obwohl er sich nicht räuspern musste, räusperte sich Albert. »Hau ab.« Die verletzte Hand in seiner Hosentasche pochte.
»Es tut gar nicht weh«, sagte Fred und fasste sich an die Nase, aus der Blut troff, rieb das Rot zwischen Daumen und Zeigefinger, präsentierte ihnen seine Hand: »Schaut!«
Albert wollte zu ihm gehen.
Tobi stellte sich ihm in den Weg. »Wie lange hockst du schon da?«
Albert spürte Freds Blick, er wandte sich an Tobi: »Können wir kurz reden?«
Tobis Füße erwachten zu neuem Leben. »Sag, warum hast du nichts gemacht? Ich meine, das ist dein Dad. Hey, Freddie, dein toller Albert hat nichts unternommen.« Einer seiner Füße zeigte auf Albert, der andere auf Fred. »Muss ihm egal gewesen sein, Freddie. Du bist ihm ziemlich egal.«
»Ich bin Albert gar nicht egal«, sagte Fred gekränkt, und das störte Albert, weil sein eigener Text so hätte lauten müssen.
»Glaubst du?«
»Komm«, Albert reichte Fred seine Hand, »gehen wir.«
Fred, dem Blut über die Oberlippe lief, rührte sich nicht.
Albert wusste nicht, was er sagen sollte.
»Albert?« Freds Nase blutete stark.
Ein nachtblauer Traktor steuerte mit erhöhtem Tempo auf das Trio zu, und das riss Albert aus seiner Starre. Mit einem Mal war er hellwach. Als sie zur Seite traten, um dem heranrollenden Traktor Platz zu machen, näherte er sich Tobi, wartete auf den Schutz der Lärmkulisse, ließ einen Augenblick verstreichen, bis sie von ihr eingehüllt waren, und dann sprach Albert schnell, aber klar und
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