Meister der Stimmen: Roman (German Edition)
lichtschnellen Sprünge auch schon wieder über ihm. Sie trat die Schelle in die Dunkelheit, packte den Dieb am Hals und hob ihn vom Boden auf. »Zurückkommen?«, zischte sie und starrte ihn aus unnatürlich weit geöffneten Augen an. »Wohin? Ich sehe doch, wie ihr das Mädchen behandelt. Eine Waffe. Eine Dienerin. Unsere Art dient nicht, Dieb!«
»Ich habe mit Nico gesprochen, nicht mit dir«, sagte Eli kalt. »Du bist nur ein Eindringling, ein gammeliger Untermieter. Wir behandeln Nico als Gefährtin, was mehr ist, als man von dir behaupten kann, Ungeziefer.«
Sie brüllte auf und zog ihre Faust zurück, doch bevor sie zuschlagen konnte, blitzte zwischen ihnen etwas Silbernes auf. Nico schrie, ließ Eli fallen und wich taumelnd zurück. Dann zog das Mädchen schwer atmend etwas aus seiner Brust. Sie warf es zu Boden, wo es klappernd landete, und Miranda erkannte eines von Josefs Messern. Eli grunzte und rollte sich herum, ein weiteres Messer kampfbereit in der Hand.
Aber Nicos Haut schloss sich sofort wieder, und sie schlich auf Eli zu wie eine lauernde Spinne. »Du verräterischer Dieb«, zischte sie. »Wie kannst du es wagen, seine Klingen zu benutzen?«
»A-ha«, sagte Eli und setzte sich keuchend und hustend auf. »Also steckt in dir doch noch ein wenig von Nico.« Er schob das zweite Messer wieder in seinen Ärmel. »Hör mir zu, Nico. Das bist nicht wirklich du. Du bist menschlich, Nico. Immer noch menschlich, selbst jetzt. Josef ist nicht fünf Mal fast gestorben, um dich zu retten, nur damit es so endet, in diesem Königreich mitten im Nirgendwo.« Er streckte die Hand aus, und auf seinem freundlichen Gesicht lag ein flehender Ausdruck. »Komm zu uns zurück.«
Nico blickte zögernd auf seine Hand, und für einen Moment verlosch das unmenschliche Licht in ihren Augen. Dann kehrte es zurück, heller als zuvor. Sie hob ihre geballte Faust, bereit, sie auf den ungeschützten Kopf des Diebes zu schmettern, aber bevor sie den fürchterlichen Schlag ausführen konnte, ertönte ein schreckliches Klirren. Über ihnen explodierte Glas, und Nico riss den Kopf hoch, so dass sie sah, wie eine wirbelnde Masse aus grauem Pelz und messerscharfen Klauen durch das hohe Fenster sprang. Dann landete der Hund auch schon auf ihr.
Miranda schlug die Hände vor den Mund. Die mit einer gehörigen Portion Angst gemischte Erleichterung war fast zu viel für sie. »Gin!«
Gin hatte Nico im Maul. Er schüttelte sie wild, bevor er sie so fest wie möglich gegen die Steinwand schmetterte. Unter dem Aufprall zerbarst der Marmor, und sie fiel zusammengesunken in den flachen Krater, die Gliedmaßen unnatürlich verdreht. Gin sprang zur Seite und stellte sich zwischen das zusammengesackte Mädchen und Miranda.
»Ich bin gekommen, sobald ich sie gespürt habe«, knurrte er, ohne die Augen von Nicos reglosem Körper abzuwenden. »Ich hatte es dir doch gesagt, oder? Dämonen kann man nicht vertrauen.«
Miranda sprang aus ihrer Nische und lief zu ihm, um ihr Gesicht in seinem Fell zu vergraben.
»Der König?«
»Versteckt sich immer noch und ist vorerst in Sicherheit«, antwortete er leise. »Nicht dass es im Moment irgendwo wirklich ›sicher‹ wäre.« Seine Stimme senkte sich zu einem Knurren, als Nico sich bewegte. »Hol den Dieb.«
Miranda nickte und sah sich nach Eli um. Der Dieb lag immer noch keuchend auf dem Rücken, wo Nico ihn fallen gelassen hatte.
Sie lief zu ihm. »Kannst du aufstehen?«
Eli nickte und packte die dargebotene Hand, dann ließ er sich stöhnend auf die Beine ziehen.
Gin knurrte warnend. Nico regte sich, und ihre gebrochenen Gliedmaßen reparierten sich in kürzester Zeit.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Miranda.
»Wir tun, was wir von Anfang an hätten tun sollen«, gab Gin zurück. »Wir bringen sie um.«
»Der Hund könnte recht haben«, flüsterte Eli mit dünner, schmerzerfüllter Stimme. »An diesem Punkt, ohne Josef, fällt auch mir nichts anderes ein. Jede Sekunde, die Nico so verbringt, führt sie weiter von uns weg. Aber was auch immer wir tun, lasst es uns schnell angehen, sonst«, er tippte mit dem Fuß auf den von Säure zerfressenen Stein, »wird die Burg es für uns erledigen.«
Miranda erstarrte. Nachdem er sie darauf hingewiesen hatte, verstand sie nicht, wie sie es hatte übersehen können. Seit Gin den Dämon verletzt und die lähmende Angst gebannt hatte, war jeder Geist in Hörweite erwacht und schrie nach Blut. Jedes Element des Thronsaals, von den Glasscherben bis zu den
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