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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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Problem je von menschlichem Geist gelöst werden, ob es tatsächlich in der Macht jenes rätselhaften Wesens gestanden hat, sogar noch meinen Traum zu beeinflussen, indem es einem versucherischen Dämon jene Bilder eingegeben, welche mich dazu trieben, mich um meiner Hoffnung und Sicherheit willen vor des Fremden Füße zu werfen. Aber wie auch immer dem gewesen sein mag, er zog aus meiner Seelenangst, welche halb der Vision, halb der Wirklichkeit entsprang, seinen Nutzen und stellte mir, indem er mir bewies, daß es in seiner Gewalt läge, meine Flucht aus den Mauern der Heiligen Inquisition ins Werk zu setzen, jene unaussprechliche Bedingung, die ich nimmermehr und vor niemand preisgeben darf, es wäre denn vor dem Ohr eines Beichtvaters.«
     
    Hier mußte Melmoth an jene unaussprechliche Bedingung denken, welche Stanton in jenem Tollhaus gestellt worden war. – Er erschauderte, doch blieb er stumm. Der Spanier aber fuhr fort.

     
    »Bei meinem nächsten Verhör wurden die Fragen dringlicher und ernster denn je gestellt, und ich selbst war begieriger, angehört denn befragt zu werden. So kamen wir, trotz der immerwährenden Umsicht und dem Formalismus eines Inquisitionsverhörs bald dazu, einander zu verstehen. Ich hatte etwas zu gewinnen, sie aber hatten nichts zu verlieren, indem sie mich dies etwas gewinnen ließen. So bekannte ich ohne zu zögern, daß ich abermals von jenem geheimnisvollen Wesen besucht worden sei, welches in die geheimsten Winkel der Heiligen Inquisition eindringen könne, ohne ihrer Erlaubnis oder ihres Verbotes zu achten (bei welchen Worten meine Richter sichtbarlich auf ihren Stühlen erzitterten). Ferner, daß ich von ganzem Herzen willens sei, all das, was bei unserer letzten Zusammenkunft zutage gekommen, hier zu berichten, vorher aber beichten und meine Absolution erhalten wolle. Dies wurde mir, obschon es im Widerspruch zu den Regeln der Heiligen Inquisition stand, in Anbetracht dieser außerordentlichen Begebenheit bewilligt. Eine der Mauernischen wurde mit einem schwarzen Vorhang verhüllt, und ich kniete vor einem Priester nieder und vertraute ihm jenes grauenvolle Geheimnis an, welches den Regeln der Katholischen Kirche zufolge von dem Beichtvater einzig und allein dem Papst enthüllt werden darf. Ich weiß auch heute noch nicht, wie es dabei zugegangen, doch wurde ich danach aufgefordert, das nämliche Bekenntnis auch vor meinen Inquisitoren abzulegen. So wiederholte ich es denn Wort für Wort und hielt einzig jene Stellen zurück, welche mein Eid und auch meine Kenntnis des Heiligen Beichtgeheimnisses mir auszusprechen verboten. Die Aufrichtigkeit meines Bekenntnisses mußte, so dachte ich, ein wahres Wunder für mich wirken. Dies tat es auch, doch war es nicht das Wunder, welches ich erwartet hatte. Man bestand weiterhin auf der Enthüllung jenes unaussprechlichen Geheimnisses. Ich aber wies darauf hin, es läge nun im Busen jenes Priesters verwahrt, vor dem ich gebeichtet hatte. Darauf steckten sie die Köpfe zusammen und schienen sich flüsternd über die Anwendung der Folter zu beraten.
    Bei dieser Gelegenheit warf ich, wie man sich wohl denken kann, einen furchtsamen und jämmerlichen Blick rings über den Saal, darin das große, dreizehn Fuß hohe Kruzifix schräg über den Platz des Vorsitzenden geneigt stand. Dies war der Augenblick, als ich eine Person an dem mit einem schwarzen Tuch bedeckten Tisch gewahrte, welche in ihrer Eigenschaft als ein Sekretär, oder als eine sonstige Schreibkraft, außerordentlich geschäftig war, die Aussagen des Angeklagten schriftlich festzuhalten. Und da man mich nahe an jenen Tisch heranführte, warf jene Person mir einen flammenden Blick des Wiedererkennens zu – und stellte sich als mein fürchterlicher Kompagnon heraus, der nun zu einem Offizialen der Heiligen Inquisition geworden war! Ich aber gab meine Sache verloren, sobald ich seinen grausam lauernden Blick auf mir ruhen sah, der jenem des Tigers glich, ehe er Euch aus dem Dschungel anspringt, oder dem des Wolfes, wenn er aus seinem Bau hervorkommt. Der Kerl warf mir von Zeit zu Zeit Blicke zu, welche ich ebensowenig mißverstehen konnte wie ich sie zu deuten wagte. Und ich hatte allen Grund, zu glauben, daß jenes entsetzliche Urteil, das nunmehr über mich gesprochen wurde, von seinem eigenen Diktat, wenn schon nicht von seinen Lippen herrührte: ›Ihr, Alonzo de Moncada, seid als ein Mönch des Ordens vom ... angeklagt des Verbrechens der Ketzerei, der Abtrünnigkeit, des

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