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Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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seine Zeit damit zu verbringen, Vibekes Kleider auf- und zuzuschnüren, sie an den Füßen zu kitzeln, um sie zum Lachen zu bringen, Töpfe mit Sahne kommen zu lassen, um sie damit zu füttern, sie seine schmerzenden Schultern massieren zu lassen und seinen Bauch mit dem Tisvilder Heilwasser langsam von den Schmerzen zu befreien.
    Doch Christian möchte nicht nur nicht dumm wirken, sondern auch nie wieder ein Sklave der Liebe sein. So rationiert er seine Zeit mit Vibeke, besucht sie manchmal nicht, wenn er dies gern täte, und gibt sich damit zufrieden, ihr gelegentlich ein kleines Geschenk ohne besonderen Wert zu machen, um Vibeke nicht wie Kirsten zu verziehen.
    Vibekes Freude über diese Dinge, mal eine Satinschleife, mal ein Spitzentaschentuch oder eine kleine Perlmuttdose, berührt ihn zutiefst. Er empfindet es nun als schrecklich, mit jemandem zusammengelebt zu haben (wie so lange Zeit mit Kirsten), die nur mit Geschenken zufriedenzustellen war, die zuviel gekostet hatten, für die das Opfer – entweder in Geld oder Ehre – stets zu groß war. Und so verhärtet er sein Herz noch mehr gegen Kirsten, strengt die Scheidung an und beschließt, obwohl es noch nicht warm geworden ist, nach Rosenborg zurückzukehren, so daß Vibeke Kruse Kirsten dort, in dem Palast, den er für sie erbaut und immer eng mit ihrem Namen in Verbindung gebracht hat, als seine Frau ersetzen kann.

    Er zitiert Jens Ingemann zu sich und sagt zu ihm, er solle das Orchester auf die Rückkehr nach Kopenhagen vorbereiten.
    Ingemann verbeugt sich, nickt und fragt dann ruhig: »Müssen wir wieder in den Keller, Sir?«
    »Natürlich müßt ihr in den Keller!« fährt ihn der König an. »Wie sonst kann man die magische Musik erzielen?«
    »Ja! Es gibt keinen anderen Weg …«
    »Und ich möchte einen Frühling und einen Sommer voller Lieder. Fangt schon mal an, lebhafte und fröhliche Stücke einzuüben, Herr Ingemann! Keine traurigen Weisen mehr! Pasquier soll aus Frankreich die neuesten Tänze kommen lassen!«
    »Ja, Sir!«
    Ingemann wird allmählich alt, überlegt der König. Ob er von der Feuchtigkeit und Kälte im Keller Rheuma oder einen Katarrh bekommt? Doch da kann man nichts machen. Die verborgene Musik am dänischen Hof löst bei allen, die Rosenborg besuchen, Verwunderung aus, und diese ist etwas Flüchtiges. Ingemann will gerade gehen, als der König ihn zurückruft und meint: »Noch etwas, Musikmeister! Wenn ich mich nicht täusche, ist mit Peter Claire etwas nicht in Ordnung. Er hat Augenblicke der Entrücktheit. Woran mag das wohl liegen?«
    Jens Ingemann erwidert, er könne es nicht sagen, die englischen Musiker seien für ihn schon immer unergründlich gewesen, und dieser sei da keine Ausnahme.

    Der König will gerade Peter Claire zu sich rufen, als ihm ein Brief seines Neffen König Charles I . von England überreicht wird.
    Wenn dieses Schreiben auch höflich und herzlich ist, so ist es doch auch ein quälendes Dokument. Darin wird König Christian die beachtliche Summe von einhunderttausend Pfund angeboten, um Eurer Majestät bei Eurer anhaltenden Armut seit den Kriegen zu helfen , allerdings unter einer Bedingung: König Charles verlangt die Rückkehr nach England, als immerwährende Leihgabe oder Verpfändung an uns, von Eurem ausgezeichneten Lautenspieler namens Claire. Dieser Wunsch wird ohne jede Erklärung oder Umschweife vorgetragen. Es heißt einfach, das Geld werde nach Dänemark geschickt, sobald ich Claires hier in Whitehall ansichtig geworden bin , und er freue sich, den süßen Soloklang zu hören, den dieser auf der Laute hervorrufen soll.
    König Christian schickt sofort nach seinem englischen Botschafter, Sir Mark Langton Smythe. »Botschafter«, fragt er diesen, »wie ist Seine Majestät auf diese Idee gekommen? Habt Ihr sie ihm in den Kopf gesetzt, als Ihr in London wart?«
    Der Botschafter erwidert, er habe nur so nebenbei von den süßen Tönen des Lautenspielers erzählt, ohne diesem besondere Bedeutung beizumessen. Er sei dann »von der sofortigen Idee des Königs, ihn nach Whitehall zu holen«, überrascht gewesen.
    Der König seufzt. »Ihr müßt verstehen«, sagt er, »daß ich ihn nicht gehen lassen kann. Bei meiner Geburt ist prophezeit worden, daß dieses Jahr 1630 das gefährlichste meines Lebens wird. Möglicherweise überlebe ich es nicht. Ich glaube jedoch, daß ich jeden einzelnen, der mir zur Seite steht und mir durch die Tage hilft, bei mir behalten sollte. Und Peter Claire ist so

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