Melville
die kleine Kommode im Korridor und wende
mich zu ihr. Eine wirklich streng aussehende Dame, an die fünfzig
Jahre alt, jedenfalls äußerlich. Kurze Haare, sogar sehr kurz für
eine Frau, und farblich komplett in Schwarz gehaltene Kleidung
vermitteln den letzten Eindruck von Abgeklärtheit.
„Guten
Abend, ich bin Melville Lancaster.“.
„Guten
Abend. Sundberg.“, sagt sie nur knapp und schüttelt kurz aber
kräftig meine Hand.
„Ich
habe gehört, sie benötigen meine Hilfe.“, führt sie das Gespräch
umgehend weiter fort.
„Ja,
in der Tat. Es handelt sich um einen Ghul von mir und ich würde mich
glücklich schätzen, wenn Sie, Frau Sundberg, einige seiner
Erinnerungen tilgen könnten.“.
„Welche
genau?“, sie ist keine Frau der langen Worte und kommt schnell auf
den Punkt. Eigentlich eine praktische Eigenschaft, aber ich bin es
nicht gewohnt, Angelegenheiten im Flur stehend zu klären. Doch so
ist es jetzt nun einmal.
„Es
gibt Erinnerungen an die Beseitigung einer männlichen Menschenleiche
namens Jonas, dem Einkerkern einer Camarilla Ventrue Frau und seine
Familie in London. Die Familie sollte komplett gelöscht werden, er
scheint da emotional etwas verwundet zu sein.“.
„Sollen
anstelle dieser Erinnerungen andere eingebracht werden?“.
„Hmm,
darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht, wäre das von
Vorteil?“.
„Nun
ja, große Lücken werfen meist Fragen auf und der Betroffene könnte
sich irgendwann an die Klärung dieser Lücken machen.“.
„Dann
füllen Sie doch einfach irgendwelche netten Erlebnisse ein. Anstatt
der Leiche und der Ventrue vielleicht entspannte
Haushaltstätigkeiten, es handelt sich nämlich um meinen Butler, und
anstatt seiner Familie…hmm…“.
„Eine
Scheidung, keine Kinder und eine Phase von Alkoholismus, die durch
Sie endlich durchbrochen wurde?“, fragt sie.
„Perfekt,
sehr schön.“. Sie macht so etwas wohl öfters. In diesem Moment
kommt auch Gregori nach Hause und wundert sich erst etwas über die
unbekannte Frau, die bei mir steht.
„Herr
Moldovan, Frau Sundberg.“, stelle ich sie einander vor, doch es
bleibt nur bei höflichem Nicken.
„Du
kommst gerade rechtzeitig, Gregori, gib mir doch bitte die
Autoschlüssel.“, er wollte sie gerade an das Brett hängen und
lässt sie stattdessen nun in meine Hand fallen.
„Viel
Spaß. Wann bist du zurück?“, fragt er. Und mit einem Blick zu ihr
richte ich die Frage an sie weiter.
„Eine
Stunde, höchstens.“, antwortet sie stellvertretend. Er brummt nur
und geht dann an uns beiden vorbei.
„Dann
wollen wir mal, Frau Sundberg. Gerne nach Ihnen.“, ich öffne die
Tür und lasse ihr den Vortritt, den sie auch gerne annimmt.
„Sie
können ihr vertrauen, James, danach werden Sie keine unnötigen
Gefühle mehr plagen.“. Er sitzt etwas nervös vor ihr und fatal
erinnert mich dieses Treffen an die Vorkommnisse mit Alfred. Doch ich
vertraue darauf, dass Sophia mir keine Stümperin geschickt hat, die
James als geistigen Krüppel zurücklässt. Zum Glück weiß er
nicht, was damals mit Geoffrey, Benedicts Butler, passiert ist.
„Ich
danke Ihnen, Sir, dass Sie sich solche Mühe mit mir machen.“.
„Nicht
doch, James, danken Sie ihr.“. Und folgsam sagt James
„Danke,
Ms Sundberg.“. Es scheint sie nicht zu stören, dass wir uns auf
Englisch unterhalten, aber sie antwortet auf Deutsch
„Mir
wurde gesagt, dass es um ein wichtiges Anliegen eines der
Rudelmitglieder der Erzbischöfin geht und ich gedenke meine Arbeit
gewissenhaft auszuüben.“.
„Dann
fangen Sie doch bitte an, Frau Sundberg.“. Sofort richtet sie ihre
Aufmerksamkeit ganz auf ihn, ich habe mich vorsorglich auch auf einen
Stuhl gesetzt, um nicht wie damals unentschlossen daneben stehen zu
müssen. Es wird ganz ruhig im Raum, nur das leise Treiben der
anderen Ghule in der Wohnung ist zu hören. Ich hoffe wirklich, dass
mit ihrer Hilfe dieses elendige Thema ein Ende findet. Ansonsten
müsste ich wirklich einen neuen Butler engagieren. James sitzt ganz
ruhig da, zittert nicht oder blutet plötzlich aus der Nase wie
Geoffrey damals. Ich deute es als gutes Zeichen dafür, dass Frau
Sundberg behutsam vorgeht. Etwas gelangweilt setze ich mich auf dem
Stuhl zurück und beobachte die Szenerie schweigend.
Zehn
Minuten vergehen, fünfzehn und noch immer lässt sie nicht von ihm
ab. Ich sehe mich ein wenig um, das Zimmer wirkt im tadellosen
Zustand und ich muss leise lächeln bei dem Gedanken, dass die Ghule,
durch ihre
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