Mensch, Martha!: Kriminalroman
Ich weiß, warum ich gerne
mit dir zusammenarbeite.
Er fragt Sabrina nach ihrer
Mutter, während Martha sich auf die Suche nach der Erzieherin macht.
Sie findet sie in der Küche, wo sie gerade Tee kocht. Ein Mädchen
in Rebekkas Alter wird losgeschickt Corinna zu holen.
Davon
abgesehen, dass Corinna noch viel jünger als Sabrina aussieht,
könnten die beiden als Zwillingsschwestern durchgehen. Martha
nimmt sie mit ins Büro und verabschiedet Sabrina. Sie haben keine
Möglichkeit miteinander zu sprechen, aber Martha glaubt einen
bedeutungsvollen Blick wahrzunehmen, den Sabrina ihrer kleinen
Schwester zukommen lässt. Irgendetwas ist hier im Gange. Aber
wo zum Teufel ist die Falle, die Radspieler für mich ausgehoben
hat?
Corinna setzt sich. Sie klemmt
die Mittelfinger über ihre Zeigefinger, als wollte sie sich vor
einem Hexenzauber schützen. Sie ist ähnlich gekleidet wie ihre
Schwester. Martha schätzt ihre Kleidergröße auf 146.
Thomas drückt schon wieder
Tabletten aus der Folie. Er sieht elend aus.
Da
Corinna von sich aus kein Wort sagt, fängt Martha bei Radspieler
an. Sie rückt ihren Stuhl zurecht. Sie sitzt fast Knie an Knie mit
Corinna. »Ich glaube nicht, dass ihm kleine Mädchen gefallen
...« Martha ist überrascht über diese Formulierung. »... Ich
meine für Sex.« Martha spürt Spannungsänderungen in ihren
Nervenbahnen.
»Kennst
du denn Männer, denen kleine Mädchen gefallen?« Ihr Mund ist
trocken. Warum, verdammt, bietet uns denn hier keiner eine
Tasse Tee oder ein Glas Wasser an? Dann könnte Thomas auch seine
Tabletten leichter schlucken.
Corinna schüttelt den Kopf.
Sie ist ihrer großen Schwester zwar aus dem Gesicht geschnitten,
scheint aber ein anderes Naturell zu sein. Sie wirkt schüchtern und
zurückgezogen.
»Aber du weißt, dass es
solche Männer gibt?«
»Frank hat es erzählt.«
Die Depolarisierungswelle
durchjagt Marthas Nervensystem in Höchstgeschwindigkeit. Ihr
Blutdruck steigt, die Handflächen werden feucht. »Kennt er
denn solche Männer?«
Corinnas Stimme erstirbt fast.
»Ich glaube schon.«
Thomas
bleibt still im Hintergrund. Sein unauffälliges Nicken deutet
Martha als Mach weiter!
»Und wie kommst du darauf?«
Corinna blickt unsicher zu
Thomas hinüber als wäre sie sich nicht sicher, auf wessen Seite er
steht. »Ich darf das eigentlich nicht erzählen. Damit ich nicht
alles verderbe.«
Martha
fühlt den brennenden Wunsch nach einer Zigarette. Vor der
nächsten Befragung klebe ich mir ein Nikotinpflaster auf die Haut.
»Möchtest du es trotzdem
erzählen?«
Corinna presst die Lippen
zusammen. Auf ihrer Kinderstirn zeichnet sich eine Kummerfalte ab.
»Ich will nicht alles verderben. Aber ich will nicht mehr
mitmachen.«
»Wobei willst du nicht mehr
mitmachen?«
Corinna wird immer leiser.
Martha sitzt jetzt wirklich Knie an Knie mit ihr. Sie fragt sich, ob
Thomas überhaupt noch verstehen kann, was das Mädchen sagt.
»Bei den Filmen, die Frank
dreht. Und den Fotos, die er macht. Er sagt, dass er Leute kennt, die
junge Schauspielerinnen entdecken. Und bevor sie eine Rolle vergeben,
wollen sie die Schauspielerin ... nackt sehen. Julia Roberts wurde
auch so entdeckt.«
Martha blickt über Corinnas
Schulter zu Thomas. Er sitzt nach vorne gebeugt auf seinem Stuhl und
hat das Gesicht in den Händen vergraben. Sie weiß nicht, ob das mit
den Zahnschmerzen zusammenhängt oder mit dem, was sie hier zu
hören kriegen.
»Wie viele Filme hat Frank
denn gedreht?«
»Fünf oder sechs.«
»Mit dir und deiner
Schwester?«
Corinna nickt schwach. »Er
sagt, ich bin das größere Talent.«
»Spielt außer dir und Sabrina
noch wer bei diesen Filmen mit?«
»Ja. Frank.«
Marthas Zunge wölbt sich in
der Rachengegend gegen den Gaumen. Sie hat einen metallischen
Geschmack im Mund. Sie zwingt sich gleichmäßig zu atmen.
»Weiß deine Mama davon?«
»Niemand weiß davon. Es muss
geheim bleiben. Weil wir die Gebühren nicht bezahlen können,
die solche Aufnahmen kosten. Deshalb macht Frank das heimlich.«
Thomas
schüttelt den Kopf in seinen Handflächen. Was ist mit ihm
los? Hoffentlich klappt mir der nicht zusammen!
»Magst du mir sagen, was auf
den Filmen und Fotos zu sehen ist?«
»Ich hab versprochen, nicht
darüber zu reden.«
»Hm. Verstehe.«
»Darf ich jetzt gehen? Ich
muss noch Hausaufgaben machen.«
»Fährst du am Wochenende nach
Hause?«
»Diesmal nicht.«
Martha holt eine Visitenkarte
aus ihrer Brieftasche. »Hier ist aufgedruckt, unter
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