Menschen lesen: Ein FBI Agent erklärt, wie man Körpersprache entschlüsselt
sich zu beanspruchen, oder der im Stehen wild mit einem Arm gestikulierte, während er sich mit dem anderen an die Halteschlaufe klammerte. Diese Menschen schienen immer über mehr Platz zu verfügen als andere, weil ihnen niemand zu nahe kommen wollte. Wer gezwungen war, neben einem dieser »Sonderlinge« zu sitzen oder zu stehen, der lehnte seinen Rumpf so weit wie möglich von ihm weg, um jeglichen Körperkontakt zu vermeiden. Man muss schon einmal in der New Yorker U-Bahn gefahren sein, um das nachvollziehen zu können. Ich bin überzeugt, dass sich manche Fahrgäste absichtlich seltsam benehmen und diese übertriebenen Körperbewegungen zur Schau stellen, um Mitfahrende auf Abstand zu halten. Ein alteingesessener New Yorker erzählte mir einmal: »Wenn du dir die Leute vom Leib halten willst, dann tu so, als hättest du nicht mehr alle Tassen im Schrank!« Möglicherweise hatte er recht.
eine solche Haltung allerdings unbewusst eingenommen wird, weil es das limbische Gehirn so verlangt, dann wird man kaum etwas von dieser Anstrengung bemerken.
Wir lehnen uns nicht nur von Menschen weg, in deren Gegenwart wir uns unwohl fühlen, wir drehen und neigen uns auch fort von Dingen, die uns unangenehm oder derer wir überdrüssig sind. Kurz nach der Eröffnung nahm ich meine Tochter mit ins Holocaust Museum in Washington, D.C., das jeder Besucher der Stadt einmal gesehen haben sollte. Während wir die Exponate betrachteten, beobachtete ich, wie Besucher unterschiedlichen Alters an die Ausstellungsstücke herantraten. Manche gingen geradewegs darauf zu, während andere sich zaghaft näherten und sich dann langsam wieder wegdrehten, als ihnen die Grausamkeit des Nazi-Regimes vor Augen geführt wurde. Manche machten nach einem kurzen Blick auf die Gräuel jener Zeit eine 180-Grad-Wende und blickten in die entgegengesetzte Richtung, während sie auf ihre Freunde warteten, die noch dabei waren, die Exponate zu betrachten. Ihr Gehirn signalisierte ihnen: »Ich komme damit nicht klar«, und so drehten sie den Ausstellungsstücken automatisch den Rücken zu. Die menschliche Spezies hat sich so weit entwickelt, dass nicht nur körperliche Nähe zu einem unsympathischen Menschen dazu führt, dass wir uns weglehnen. Selbst Abbildungen von unangenehmen Dingen, in diesem Fall Fotos, können eine solche Reaktion auslösen.
Als wachsamer Beobachter menschlichen Verhaltens muss man sich der Tatsache bewusst sein, dass das Distanzverhalten des Körpers manchmal abrupt, manchmal aber auch sehr subtil sein kann; ein leichtes Verlagern des Körperschwerpunkts reicht bereits aus, um eine negative Haltung auszudrücken. Paare, die sich auseinandergelebt haben, zeigen dies, indem sie sich auch körperlich voneinander distanzieren. Sie schaffen einen Raum der Stille zwischen sich, und wenn sie dazu gezwungen sind, nebeneinanderzusitzen, etwa auf der Rücksitzbank eines Wagens, wenden sie sich nur noch mit dem Kopf einander zu, nicht aber mit dem ganzen Körper.
Die ventrale Seite
Mit den Bewegungen des Rumpfs spiegeln wir das Bedürfnis des limbischen Gehirns wider, Abstand zu halten beziehungsweise uns zu distanzieren. Dieses Verhalten verrät sehr viel über die wahren Gefühle eines Menschen. Wenn eine Person in einer
Beziehung den Eindruck hat, dass etwas nicht stimmt, wird er oder sie wahrscheinlich zeitgleich bemerken, dass der Partner oder die Partnerin sich körperlich distanziert. Dieses Distanzieren kann auch eine spezielle Form annehmen: Unsere vordere, die ventrale Körperseite, auf der sich unsere Augen, Mund, Brust, Genitalien und so weiter befinden, reagiert sehr empfindlich auf Dinge, die wir mögen beziehungsweise nicht mögen. Einem natürlichen Impuls folgend wenden wir uns den Dingen (und Menschen) zu, die wir mögen und die positive Gefühle in uns auslösen. Wenn wir jedoch unzufrieden sind, Beziehungen sich ändern oder Themen angesprochen werden, die uns unangenehm sind, versuchen wir, uns der Sache zu entziehen, indem wir uns mit dieser Körperseite abwenden oder wegdrehen. Wie gesagt: Die ventrale Seite unseres Körpers ist besonders empfindlich, weshalb das limbische Gehirn das dringende Bedürfnis hat, sie vor den Dingen zu beschützen, die uns verletzen oder stören. Und genau das ist auch der Grund dafür, dass wir uns sofort und unbewusst zur Seite drehen, wenn auf einer Party jemand an uns herantritt, den wir auf Anhieb unsympathisch finden. Wenn es um Partnerschaften geht, gilt verstärktes Abwenden als
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