Menschenfänger
und wartete einfach ab. Nach kurzer Zeit begann Windisch wieder zu sprechen.
»Ihr habe ich natürlich eine ganz andere Geschichte erzählt. Ich erfinde gerne Geschichten und beobachte dann, wie sie auf Frauen wirken.«
»Aha.«
»Ja, wirklich. Ihr erzählte ich, meine Frau sei zu einer Freundin gefahren, die ein Baby erwarte. Nun wolle ich diese günstige Gelegenheit nutzen, um mit Yasmin all die Dinge zu tun, die ich mit meiner Frau nicht machen könne. Sie glauben gar nicht, wie heiß das die Frauen macht, wenn man ihnen das Gefühl gibt, besser als eine Nebenbuhlerin zu sein. Sie wollte es mir unbedingt zeigen – alles, was Sex toll macht!«
»Stattdessen haben Sie ihr gezeigt, wie man besonders qualvoll sterben kann!« Hansen hatte seine Grenze erreicht, ihn verließ die zur Schau gestellte Ruhe.
»Aber ja doch! Wenn Sie das so ausdrücken, klingt es direkt poetisch!«
»Sie haben, nur wenige Stunden nach dem ersten Mord, ein zweites Mal getötet.«
»Ja. Und wieder war es ganz einfach. Bei ihr hat es sogar noch etwas länger gedauert als bei der anderen, bis sie kapiert hat, dass dies kein harmloses Spiel ist. Aber wissen Sie, irgendwann kriegt es dann jede mit!«, erklärte Windisch hämisch.
Das Band war zu Ende, und Nachtigall legte das zweite ein.
Hansens Stimme hatte an Kraft verloren, aber er war offensichtlich bereit, das Verhör fortzusetzen.
»Mit Yasmin Klein haben Sie auch zuerst gebadet.«
»Ja. Das war mir eigentlich gar nicht recht, aber für diese Art Frauen gehört das quasi zum Vorspiel. Da ich schon am Vortag gebadet und gründlich geduscht hatte, bedeutete diese Prozedur eine unnötige Belastung und für mich eine unnötige Verzögerung. Das Beste stand ja noch aus.«
»Diese Art Frauen. Sie verwenden diese Formulierung schon zum zweiten Mal.«
»Prostituierte hat so einen harten Klang.«
»Sie mögen Prostituierte nicht.«
»Ach was. Die arbeiten hart, um ihren Job gut zu machen. Das verdient Anerkennung!«
»Warum haben Sie sich dann ausgerechnet Prostituierte ausgesucht?«
Das Gespräch stockte.
Wahrscheinlich überlegte Windisch, wie er sich so ausdrücken konnte, dass der Kommissar es auch verstehen würde. Dann war ein lautes Seufzen zu hören und gleich danach Windischs Stimme.
»Aus zwei Gründen. Erstens ist es einfach, in ihre Wohnungen zu kommen. Das ist das Organisatorische. Zweitens sind es erfahrene Frauen, die man nicht leicht beeindrucken kann. Es war die Herausforderung, einer solchen Frau etwas zu zeigen, was ihr Vorstellungsvermögen übersteigt!«
Wieder entstand eine Pause. Wahrscheinlich musste Hansen sich erst sammeln, bevor er das Verhör fortsetzen konnte.
»Nach dem Bad?«
»Wie beim ersten Mal. Wir trockneten uns gegenseitig ab. Danach wollte sie uns beide mit einem aphrodisierenden Balm eincremen. Doch das konnte ich natürlich nicht zulassen, wegen der Haftung des Klebebandes. Sie verstehen?«
»Und wie ging es weiter?«
»Ähnlich, wie bei der anderen. Enttäuschend ähnlich. Ich bekam aber diesmal eine entspannende Ganzkörpermassage, war ja bei mir kein Problem, das Band musste ja nur an ihr kleben. Danach habe ich sie gefesselt und zusammengeschnürt. Wie bei der anderen. Aber bei der Zweiten war toll, dass die ihre angeklebten Augenlider noch weiter aufreißen konnte, wenn ich mir für sie was Neues ausdachte. Manchmal überlege ich, wie es wäre, wenn ich ihnen das Schreien erlauben könnte. Meinen Sie, das brächte noch mehr Spaß?«
Hansen ließ sich nicht aus der Reserve locken. Die Frage blieb unbeantwortet.
»Warum mussten diese Frauen sterben?«
»Weil ich weiß, wie es geht.«
»Weil Sie wissen, wie man tötet?«
»Nicht nur, aber auch. Ich weiß noch viel mehr! Ich kann sie mir gefügig machen, mit ihnen tun und lassen, was ich will, und am Ende verfüge und siege ich über ihr Leben! Weil ich weiß, wie es geht!«
»Sie haben die Frauen nicht vergewaltigt.«
»Nein, wozu auch.«
»Wenn Sie sie schon so wehrlos vor sich hatten …«
»Oh, so einer sind Sie? Dann sitzen Sie womöglich an der falschen Seite des Tischs, wie? Sie stehen auf hilflose Frauen!«
Deutlich war ein entnervtes Stöhnen zu hören, das nur von Hansen stammen konnte.
»Darum ging es doch gar nicht«, fand sich Klaus Windisch schließlich in herablassendem Ton bereit zu erklären. »Sehen Sie – das hätte ich auch alles gegen Bezahlung haben können!«
Peter Nachtigall stellte die Lautstärke höher. Windisch flüsterte jetzt nur noch.
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