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Menschenkinder

Menschenkinder

Titel: Menschenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Renz-Polster
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Heidelbeeren gezogen hat, lockt sie heute zu all dem Sondermüll auf den Regalen im Supermarkt! Hier ist guter Rat so teuer nicht: Ein bisschen Naschen ist okay, aber dem süßen Zahn freie Bahn zu geben, wäre nicht ratsam. Nach allem, was wir wissen, sind die Kosten dieses Kompromisses auf beiden Seiten akzeptabel: Noch kein Kind hat einen psychischen Schaden bekommen oder ist für sein Leben verunsichert worden, wenn es nicht immer Bonbons bekam.
    In anderen Bereichen ist die Suche nach dem »richtigen« Kompromiss schon schwerer. Beim Stillen etwa. Gestillt zu werden ist für ein Baby (egal welchen Baujahres) ein Plus für seine Gesundheit und für seine Entwicklung. Wenn das Stillen nicht klappt, ist das zwar nicht gleich eine Katastrophe, die Entwicklung der Kleinen läuft ja in der Regel trotzdem günstig. Aber mögliche »Kosten« sind bekannt und nicht zu leugnen. 7
    Schlafen: die härteste Nuss
    Besonders schwer ist der Kompromiss jedoch beim Schlafen zu finden. Sollen wir den Kleinen nachgeben, die gerade beim Einschlafen auf unsere Nähe pochen? Die »Kosten« für die Eltern sind bekannt und gut messbar (der Verzicht auf den abendlichen
Theaterbesuch etwa). Oder sollen wir sie rasch daran gewöhnen, ohne uns klarzukommen? Die »Kosten« dieser Lösung sind nicht ganz so leicht abzuschätzen.
    Was wir wissen, ist Folgendes: Die Nachteile, beim Schlafen alleingelassen zu werden, scheinen von der Evolution sehr hoch veranschlagt worden zu sein – sie hat jedenfalls Widerstand auf allen Kanälen einprogrammiert (verständlich, denn die Kosten des Alleingelassenwerdens reichten ja bis hin zum evolutionären Super-GAU schlechthin, dem Tod per Kralle). Ein Baby, das alleine gelassen wird, fühlt sich deshalb bedroht — und das mit Leib und Seele. Auch heute noch.
    Hier eine stimmige Lösung zu finden ist nicht leicht. Die einen nehmen den Nachwuchs einfach mit ins Leben rein – eine Party ist nicht deshalb langweiliger, weil ein paar Babys mit dabei sind, jedes Treffen einer italienischen Großfamilie wäre sonst ein Fiasko. Die anderen legen sich zum Kind ins Bett und lesen ein Buch. Wieder andere bestehen auf getrennten Zimmern.
    Egal, welchen Weg wir wählen, wir sollten ihn nicht auch noch mit grundlosen Ängsten und Mythen pflastern:
    ERSTENS. Selbstständig einschlafen ist kein Meilenstein der Entwicklung, als der es manchmal aufgebaut wird. Babys, die nicht selbstständig einschlafen, sind in ihrer Entwicklung nicht weniger weit als solche, die das können. Das gilt auch für das Durchschlafen – dass gestillte Kinder von abends bis morgens ohne Unterbrechung schlafen, ist ein Traum schlafentwöhnter Eltern, aber trotzdem die Ausnahme. Der Schlaf der Kleinen eignet sich deshalb auch nicht wirklich zum Protzen (»Mein Kind schläft jetzt übrigens durch!«) — zumal dann meist vergessen wird zu vermelden, wenn das Baby halt doch wieder nachts aufwacht.
    ZWEITENS. Dass es für die Entwicklung von »Selbstständigkeit« wichtig sei, im eigenen Bett zu schlafen, ist, wie wir schon gesehen haben, nicht plausibel. Wie bitteschön sind dann die Kinder in der menschlichen Geschichte selbstständig geworden, in der sie nahe bei ihren schützenden Erwachsenen schlafen mussten , allein schon deshalb, weil sie sonst nicht überlebt hätten?

    DRITTENS. Nicht jede Methode, die einem Kind das selbstständige Einschlafen »lehrt«, ist akzeptabel. Manche der Trainingsprogramme sind mittelalterlichen Teufelsaustreibungen nicht unähnlich und haben mögliche Spätfolgen. Selbst der Erfinder der am weitesten verbreiteten Methode, der US-amerikanische Schlafforscher Richard Ferber (seine Methode wurde in dem Buch Jedes Kind kann schlafen lernen popularisiert), nimmt inzwischen Abstand von vielen seiner früheren, rigiden Empfehlungen. Es dürfte für Babys auch wirklich schwer zu verstehen sein, dass die tagsüber mit viel Kuscheln und Trösten gefeierte Liebesbeziehung um 19 Uhr 30 abrupt endet.
    VIERTENS. Um die Frage, ob ein Stillkind bei seiner Mutter im Bett schlafen »darf«, ist eine emotionale Debatte entbrannt, in der es nur vordergründig um die Sicherheit der Kinder geht. Fakt ist: Babys im Elternbett schlafen zu lassen ist nicht jederfraus Sache, aber die, die es gerne tun, sollten sich keine Denkvorschriften machen lassen. Solange die an jedem Kiosk ausliegenden Regeln für einen sicheren Säuglingsschlaf beachtet werden, ist das gemeinsame Schlafen kein Sicherheitsrisiko. 8
    FÜNFTENS. Die Sorge vor

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