Menschenteufel
haarscharf entwischt.«
»Macht nichts. Um ihn kümmern sich die anderen. Mit dem Peilsender
am Wagen können sie ihn nicht verlieren. Hatten die zwei hier tatsächlich einen
guten Riecher.«
»Was machen wir mit ihnen?«
»Wie sieht es da vorne aus?«
»Wie in einem Schlachthaus. Offenbar hat er auf einem einfachen
Tisch operiert. Er hat alles mitgenommen außer einem halben Tier, das noch von
der Decke hängt, und zwei abgeschnittenen Beinen unter dem Tisch.«
Petzold schloss die Augen.
»Hol aus der Küche ein paar scharfe Messer, Scheren. Finde eine Säge
und sieh zu, dass du Nadel und Fäden auftreibst. Zur Not haben wir welche im
Wagen. Beeil dich.«
Der andere lief die Treppen hoch. Petzold hörte ihn in der Küche
Laden aufreißen und mit Besteck klappern.
Ihr Wächter packte Freund, wuchtete ihn über die Schulter und
verschwand mit ihm wieder im Keller. Nach kurzer Zeit kehrte er zurück und zog
Petzold mit einem Handgriff hoch. Unter ihrem Knebel heulte sie auf vor
Schmerz.
»Geh da hinüber«, befahl er und stieß sie in die Richtung, aus der
er gekommen war. Mit Tippelschrittchen kämpfte sie sich an den Weinregalen, der
Tiefkühltruhe und dem Öltank vorbei bis in den hintersten Raum. Je näher sie
kam, desto beißender drang der Geruch von Blut und Verwesung in ihre Nase. Der
Magen stieg ihr durch den Hals. In ihr wuchs die Panik. Je heftiger die Krämpfe
wurden, desto weniger konnte sie sich kontrollieren. Sie drohte zu ersticken,
schrie. Mehr als dumpfes Gurgeln drang nicht aus ihrem Körper.
Mit einem Ruck riss ihr Peiniger den Knebel von ihrem Mund. Petzold
würgte die Knebelmasse hinaus. Hustend leerte sie ihre Speiseröhre, schnappte
nach Luft, verschluckte sich, hustete weiter. Endlich warf sie den Kopf zurück
und sog alle Luft der Welt bis in ihren untersten Lungenzipfel.
»Weiter«, forderte der Mann und stieß sie nach vorn.
Petzold stolperte in den Raum.
Trotz ihrer verstopften Nase warf der Gestank sie fast um. Rohes
Fleisch, Darminhalt, Blut, Fäulnis, Moder, Todesangst. Doch ihre Lunge
verlangte nach Luft. Durch zusammengebissene Zähne saugte sie die Pest ein. Sie
hatte das Gefühl, selbst mit der Zunge das Grauen zu riechen.
Hieronymus Bosch hätte die Hölle kaum schlimmer malen können. Durch
die Tränen in ihren Augen verschwamm ein langer Tisch, darüber vier Glühbirnen.
Darauf der gefesselte, immer noch reglose Oberinspektor. Darunter die Reste
eines menschlichen Unterleibs. Ein leerer Holzstuhl. Rechts hingen Tierreste.
Der Schwarze schob Petzold neben den Tisch.
»Auf den Boden legen.«
Petzold gehorchte. Aus der Froschperspektive beobachtete sie, wie er
an Oberinspektor Freunds Schuhen hantierte. Gleich darauf flogen sie neben ihr
auf den Boden. Es folgten Freunds Hosen, T-Shirt und Unterhosen.
Sein konzentriertes Handeln erinnerte Petzold an einen Roboter. Er
wickelte ein Klebeband um Tisch und Inspektor.
Durch die Milchglastür trat sein Partner mit einem Einkaufskorb. Als
er ihn auf den Tisch stellt, klirrte darin Metallisches. Die bestellten Messer
und Scheren.
»Was machen wir damit?«
»Es soll so aussehen, als wären sie zwei weitere Opfer«, erwiderte
der Anführer.
In Petzolds Adern stockte das Blut zu rotem Eis.
Der untergeordnete Schwarzvermummte benötigte einen Moment länger
als Petzold, bis er begriff. »Mit Küchenmessern und Scheren?«, stotterte er.
»Hast du dein Operationsbesteck da?«, blaffte der andere.
»Ohne Betäubung, vermute ich.«
»Die anderen waren auch nicht betäubt.«
»Wer sagt das?«
»Habe ich gehört. Deshalb werden die auch nicht betäubt. Damit es
echter wirkt.«
Ohne sich dagegen wehren zu können, wurde Petzold von einem
Schüttelfrost erfasst. Hinter dem Tisch sagte der andere: »Wir haben keine
Tierunterteile.«
»Brauchen wir nicht.«
»Wie sollen sie dann in eine Serie mit den anderen passen?«
»Wir teilen sie und basteln die verkehrten Hälften wieder zusammen.«
Wach auf, Lia! Wach, verdammt noch einmal, endlich auf!
Jetzt begann sie auch noch zu hyperventilieren.
Du musst jetzt ganz ruhig bleiben.
Ihr Körper hörte nicht auf seinen Geist. Der Druck musste raus. Sie
riss den Mund auf und schrie sich die Seele aus dem Leib.
Der Mann trat ihr brutal ins Gesicht. In Petzolds Augen schossen
Tränen. Sie zerbiss ihre Zähne, um nicht zu heulen.
»Halt’s Maul, oder ich klebe es wieder zu«, herrschte er sie an.
»Und dann sehen wir, wie viel Luft dir noch zum Schreien bleibt, Rotznase.«
Freund
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