Menschenteufel
Nacht
wurde ich überfallen, deshalb bin ich hier. Aber keine Sorge, ich bin praktisch
schon weg.«
Das hat sie nicht verstanden, so wie sie schaut. Jetzt hält sie mich
wieder für eine Irre, dachte Petzold.
»Hat sich Doktor Shorts Zustand verbessert?«
»Wer soll das sein?«
Jetzt war es an Petzold, verblüfft zu sein. Kannten die ihre
Patienten nicht?
»Der Mann in diesem Zimmer.«
»Der ist ein Unbekannter. Außerdem, was geht Sie das an?«
Ein Unbekannter? Für dich vielleicht.
»Ich sagte doch schon … ach, vergessen Sie es.«
Sie drängte sich vorbei, den Gang hinunter.
Das Schwesternzimmer lag am Ende des Korridors. Hinter Petzold
schnaufte die Pflegerin bei dem Versuch, sie einzuholen. Bevor es ihr gelang,
stand Petzold bereits im Schwesternzimmer.
Zwei Frauen in weißen Kitteln und den neuerdings modernen plumpen
Plastikschlapfen, die aussahen wie abgeschnittene, löchrige Gummistiefel mit
Henkel, saßen an einem kleinen Tisch. Eine löffelte Joghurt. Die andere
studierte Akten. Beide sahen auf. Um sie wuchsen technische Geräte, Monitore,
Ablagen und Kästen hoch. An einer Pinnwand hingen Postkarten, Kinderzeichnungen
und Kopien.
Petzold stellte sich vor. Hinter ihr dampfte die Riesenschwester in
den Raum und packte sie am Arm.
»Jetzt wird es mir langsam zu bunt!«, rief sie.
Petzold schüttelte sie ab, drängte sich weiter in den Raum und
fragte: »Wie geht es Doktor Short?«
»Wem?«, fragte die Joghurtesserin. An ihrem schweren Körper bewegten
sich nur Arm und Mund. Ein Namensschild auf der Brusttasche ihres Kittels
stellte sie als Schwester Benda vor.
Für einen Moment war Petzold sprachlos. »Sind Sie noch nicht
informiert worden?«
»Worüber?«
»Der Schwarze auf Zimmer … dahinten rechts.«
Irritiert hielt sie inne. Zwei Mal hatte sie lange vor dem Zimmer
gestanden. Auf die Nummer hatte sie nie geachtet. Was war mir ihr los? So etwas
durfte nicht vorkommen.
»Was ist mit ihm?«
»Er hat einen Namen. Seit Tagen.«
Die Herrschaften von der Terrorbekämpfung wollten den Fall führen.
Dabei waren sie nicht einmal in der Lage, das Krankenhaus über die Identität
des Mannes zu informieren. Petzold kochte.
»Mit dem kann er momentan auch nichts anfangen, um Ihre Frage zu
beantworten. Er liegt noch immer im Koma.«
Sorgfältig kratzte Schwester Benda mit dem Löffel ihren Becher leer.
»Wie heißt er denn?«, fragte sie und schluckte den Rest ihres
Frühstücks. Sie schleckte den Löffel noch einmal ab und legte ihn auf den
Tisch. Den Becher warf sie in einen Klappmistkübel darunter. Dann erinnerte sie
sich. »Ah ja, Sie haben es ja gesagt. Dog da Schoad. Was für ein Name ist das?
Nigerianisch?«
Petzold musste sich ein Lächeln verkneifen. So entstanden
Missverständnisse. Wie unterschiedlich man Dinge verstehen konnte. Oder wollte.
Andererseits. Irrtümer, Missverständnisse, Pannen. Sie setzten Neues in die
Welt. Sie waren der Ursprung aller Vielfalt. Vielleicht waren sie gar nicht
das, wofür man sie hielt. Es kam auf die Betrachtungsweise an. Man musste nur
zum Erkennen bereit sein. Heute war es eine von Schimmelpilzen verseuchte
Bakterienkultur. Morgen war es Penicillin.
»Der Mann kommt aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Er heißt
Colin Short und ist Doktor der Soziologie.«
»Wow. Und woher wissen Sie das alles?«
Petzold wurde bewusst, dass auch die beiden sie nicht ernst nahmen.
Vielleicht hatten sie insgeheim bereits auf einen verborgenen Knopf gedrückt,
der zwei starke Männer mit der Zwangsjacke herbeirief.
»Ich bin Inspektorin Lia Petzold von der Wiener Polizei und bearbeite
den Fall. Wenn Sie mir nicht glauben, beschreibe ich Ihnen die Verletzungen auf
seiner Brust, von denen in der Öffentlichkeit niemand weiß.«
»Die spinnt doch«, erklärte die große Schwester, deren Namensschild
sie als Frau Kern auswies.
Petzold ignorierte sie. Die beiden anderen musterten sie abwartend.
»Jemand hat in seine Brust das Wort ›Terror‹ geschnitten«, sagte
Petzold. »Woher sollte ich das wohl wissen, wenn ich nicht am Fundort gewesen
wäre?«
Die dicke Kern grunzte verächtlich. Schwester Benda runzelte die
Stirn.
»Was ist mit Ihnen geschehen? Sie sehen aus, als wären Sie mit einem
Schnellzug kollidiert.«
»So fühle ich mich auch.«
»Hier ist ein Stuhl. Setzen Sie sich doch.«
»Danke. Wann wird er aufwachen?«
»Das weiß der Himmel. Oder Doktor Ahlimad. Wollen Sie etwas
trinken?«
»Gern. Wo ist der Doktor?«
»Bei einem anderen
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