Menschenteufel
als Sie uns bislang gesagt haben.
Dann wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, das nachzuholen. Bei der Gelegenheit
sollte ich Sie auch darauf aufmerksam machen, dass alles, was Sie wissen,
unsere Ermittlungen unterstützt. Und alles, was Sie eventuell verbergen, diese
behindert. Was nebenbei strafbar ist. Und im Zweifelsfall auch bestraft wird.«
Freund konnte erkennen, wie Lindls Fassaden widerstandslos
zusammenbrachen. Er wandte sich ab und starrte lange über die Stadt. Freund
glaubt schon, Lindl hätte sie vergessen, als er sich umdrehte.
»Am Abend ihres Verschwindens erhielt Mine, Verzeihung, Frau Rother
einen Anruf«, erklärte Lindl tonlos. »Sie sagte, sie müsse noch zu einem kurzen
Termin, und ging. Seitdem ist sie weg. Sie hat öfters längere Besprechungen.
Als sie am nächsten Morgen aber immer noch nicht zurück war, verständigte ich
die Polizei.«
»Sie waren die ganze Nacht hier?«
»Das habe ich Ihren Kollegen inzwischen mehrfach erzählt.«
»Was geschah danach?«
»Erst einmal nichts. Die Beamten nahmen meine Anzeige auf und das
war’s. Allerdings habe ich bei der Anzeige ein Detail zu erwähnen vergessen.«
»Vergessen … mhm, und das wäre?«
»Frau Rother sagte mir, wer sie angerufen hatte.«
»Und zu wem sie also ging.«
»Das sagte sie nicht. Sie erwähnte nur den Namen des Anrufers:
Martin Bram.«
»Wer ist das?«
»Ich kenne ihn nur flüchtig. Die beiden hatten früher wohl
geschäftlich miteinander zu tun. Aber das war vor meiner Zeit.«
»Und was veranlasste Sie, Herrn Bram bei der Vermisstenmeldung zu
vergessen?«
»Ich habe ihn vorher angerufen. Es war ein seltsames Gespräch.
Zuerst schien er gar nicht zu wissen, wovon ich rede. Er behauptete, seit Monaten
keinen Kontakt mit Frau Rother gehabt zu haben. Auch nicht an besagtem Abend.
Dafür gebe es auch Zeugen, versicherte er mir, und zwar eine ganze
Partygesellschaft, mit der er bis in den Morgen feierte.«
»Und das haben Sie geglaubt?«
»Außerdem forderte er mich auf, der Polizei nichts zu erzählen. Er
wolle nicht, dass sein Name missbraucht werde.«
»Diesen Wunsch haben Sie ihm einfach so erfüllt?«
»Ich bin loyal zu meiner Auftraggeberin. Wenn sie auf einen Anruf
von einem vorgeblichen Herrn Bram hin sofort zu einem Termin eilt, wird sie ihm
so weit vertrauen, dass ich das auch kann.«
»Vielleicht hat Frau Rother Ihnen Herrn Brams Namen ja ganz bewusst
mitgeteilt. Damit Sie ihn uns nennen.«
Lindl presste die Lippen aufeinander, als müsse er seinen Mund vor
weiteren Offenbarungen bewahren. Freunds Blick wich er aus, bevor er gestand:
»Das Telefonat vor drei Tagen war nicht das einzige mit Herrn Bram.«
Als Spazier mit der flachen Hand auf den Tresen klatschte, erschrak
selbst Freund.
»Jetzt reden Sie schon, Mensch!«
Beim Sprechen rollte Lindl seine Espressotasse zwischen den
Handflächen und blickte interessiert hinein.
»Gestern Nachmittag rief Bram noch einmal an. Er dankte mir, dass
ich seinen Namen bei der Anzeige aus dem Spiel gelassen hatte.«
»Woher wusste er das?«
»Weil keiner Ihrer Kollegen bei ihm aufgetaucht war, vermute ich.«
»Er wollte sich nur bedanken?«
»Er bat mich noch einmal, es auch weiterhin so zu halten.«
»Hat er Ihnen gedroht?«
»In keiner Weise.«
Dabei sah Lindl aus dem Fenster.
Ein Ausflug in die Stadt
»Den Herrn Bram werden wir einmal besuchen müssen«, stellte
Freund fest, als er mit Spazier wieder vor dem Haus stand.
Über die Kuppe des Kahlenbergs streiften die ersten Sonnenstrahlen.
Zwei uniformierte Beamte bugsierten Lindl in ihren Einsatzwagen. Handschellen
hatte Freund als überflüssig angesehen.
»Vereinbare so bald wie möglich einen Termin, und dann stellt ihr
ein Erstdossier über ihn zusammen, damit wir wissen, wem wir gegenübersitzen.
Und macht pronto mit der Untersuchung von Lindls angeblichem Sezierbesteck. Mit
der Vernehmung könnt ihr gleich anfangen. Ich muss noch einmal kurz nach Hause.
Bis später.«
Ein paar Sekunden lang sah er noch dem Polizeiauto und den
Auspufflöchern von Spaziers Maschine unter seinem gebeugten Rücken nach, dann war
er wieder allein auf der Straße.
Er dachte darüber nach, was Lindl ihnen erzählt hatte. Der junge
Mann hatte glaubwürdig gewirkt. Mit den Jahren hatte Freund gelernt, sich auf
sein Gefühl zu verlassen. Und das sagte ihm, dass Lindl ihnen zwar die Wahrheit
gesagt hatte, aber immer noch nicht die ganze. Besonders bei der letzten Frage
hatte er gelogen.
Freund hatte aber auch gelernt,
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