Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
geben, dass sie kommen würde - und das stellte sich als schwierig heraus.
Sie versuchte erneut, ihn zu erreichen, doch er ging nach wie vor nicht ans
Handy. Und als sie im Motel anrief, wurde ihr mitgeteilt, er habe ausgecheckt.
Warum?
Zog er in eine andere Unterkunft um? War er auf
dem Weg nach Hause? Oder sonst wohin?
Schließlich wollte sie nicht bis nach Los
Angeles fliegen, nur um festzustellen, dass er nach Seattle, Boston oder Timbuktu
geflogen war. Seine Abreise aus dem So-Cal Inn machte ihr wirklich Sorgen.
Sie versuchte abermals, ihn zu erreichen, wurde
aber sofort auf seinen Anrufbeantworter umgeleitet.
»Oh, Rick«, seufzte sie und trug, den Hund dicht
auf den Fersen, ihren langsam kühler werdenden Tee auf die Veranda. Im Nebel,
der zwischen den Pappeln und Zypressen aufstieg, hing der dumpfige Geruch des
Sumpflandes. Eine Spottdrossel trillerte leise, eine heftige Brise wirbelte die
Blätter auf und zauste ihr Haar.
Sie liebte diesen Ort, und ihr Mann tat es
ebenfalls. Es war Zeit, dass er aufhörte, Geistern hinterherzujagen, dass er nach
Hause zurückkehrte, wo er hingehörte.
Bevor eine weitere unschuldige Frau ihr Leben
lassen musste.
Montoya traute seinen Augen nicht. Er starrte
auf den Computerbildschirm auf seinem Schreibtisch und flüsterte: »Erwischt.«
»Wen hast du erwischt?«, erkundigte sich
Brinkman, der mit seiner leeren Kaffeetasse auf dem Weg zur Küche war, und
blieb neugierig an Montoyas Schreibtisch stehen. »Ach, nichts.« Er würde sich
doch nicht gerade dem Detective anvertrauen, der ihm ohnehin auf den Geist ging
- Brinkman mit seiner dicken Brille und dem Kranz dunkler Haare um die
sommersprossige Platte. Der Kerl machte seinen Job gut, aber eine
besserwisserische Nervensäge war er trotzdem. Einer von denen, die die Weisheit
mit Löffeln gefressen hatten. Montoya konnte ihn nicht ausstehen. »Etwas
Persönliches.«
»Ach so. Hat vermutlich was mit Bentz zu tun,
der sich in L.A. offenbar gerade in Schwierigkeiten bringt.« Brinkmans
Augenbrauen schossen über den Rand seiner Brillengläser. »Hast du geglaubt,
ich wüsste nichts davon? Das ganze Department spricht doch von nichts anderem.«
Er schnaubte auf die herablassende Art und Weise, die Montoya so reizte, dann
trollte er sich Richtung Küche. Wo er ohne Zweifel die nächstbeste Person in
den Wahnsinn treiben würde, die ihm über den Weg lief. Montoya blickte ihm
nach, dann atmete er tief durch und wandte sich wieder seinem Monitor zu. Da
war es: das fehlende Puzzleteilchen oder zumindest ein weiteres. Wenn sie Glück
hatten und es sorgfältig einfügten, konnten sie sich vielleicht ein Bild
machen und so das ganze Rätsel lösen.
Nach Tagen ergebnisloser Recherche, gestützt auf
das Material, das Bentz gesammelt hatte, und der Suche nach einem Hinweis
hatte er einen Durchbruch erzielt. Gerichtsunterlagen zufolge war Ramona
Salazars nächster Verwandter ihr Bruder Carlos.
Carlos Salazar ... Jetzt musste Montoya den Kerl
nur noch ausfindig machen. Er überprüfte die in den Unterlagen angegebene
Adresse, und als sich herausstellte, dass sie nicht mehr aktuell war, fing er
an, Telefon- und Adressverzeichnisse zu durchkämmen. Nach fünf Anrufen bei
Leuten, die ihm mitteilten, er habe die falsche Nummer gewählt, landete er
einen Volltreffer.
»Hier ist Carlos«, meldete sich ein Mann mit
ausgeprägtem spanischem Akzent.
»Kennen Sie eine Ramona Maria Salazar?«
»Ja, ich bin Ramonas Bruder, Gott hab sie
selig«, antwortete Carlos, ohne zu zögern. »Wer will das wissen?« Montoya wäre
fast von seinem Stuhl aufgesprungen. Er stellte sich vor und versicherte dem
Mann auf Spanisch, dass er ein Beamter des NOPD sei. Dann teilte er Salazar
mit, dass er zusammen mit dem Police Department von Los Angeles an einem Fall
arbeite, in dem ein viertüriger silberner Chevrolet Impala Baujahr 1999 eine
Rolle spielte. Das war zwar ein bisschen weit hergeholt, aber der alte Mann
schien es ihm abzukaufen, spätestens als er ihm das Kennzeichen nannte. »Wir
möchten wissen, ob Sie den Wagen von Ihrer Schwester geerbt haben.«
» Si, das
habe ich.«
»Und befindet sich der Wagen noch in Ihrem
Besitz?«
»O nein, ich habe ihn dem Sohn meines Cousins
verkauft, Sebastian. Für seine Frau«, erklärte der alte Mann. »Und sie fährt
das Auto noch?«
»Ich glaube, ja.« Doch er klang verunsichert,
besorgt, diesem Fremden am Telefon zu viel mitzuteilen. »Der Wagen ist noch
auf Ihre Schwester zugelassen?«
»Ich ... ich
Weitere Kostenlose Bücher