Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
sich alle Mühe, nicht
zusammenzuzucken, da er nicht wollte, dass Lorraine seine Schmerzen bemerkte.
Als sie ihn zur Tür brachte, sagte sie: »Selbst
wenn Jennifer noch lebt - warum zum Teufel tust du das? Lass die Sache doch auf
sich beruhen, schlafende Hunde sollte man nicht wecken und tote Ex-Frauen auch
nicht. Wenn es dir wirklich keine Ruhe lässt, musst du dich an die Polizei
wenden. Soll die sich doch damit befassen. Du bist wieder verheiratet. Fahr
nach Hause. Kümmere dich um deine neue Frau.« Lorraine öffnete die Tür und
wartete, dass er auf die rissige Betonveranda hinaustrat. Sie entdeckte eine
verwelkte rosafarbene Petunienblüte, knipste sie ab und fügte hinzu: »Mach
nicht zweimal denselben Fehler. Wenn du deiner neuen Frau ein wenig mehr
Aufmerksamkeit schenkst, wird sie vielleicht nicht vom Weg abkommen wie
Jennifer.« Bentz überhörte ihren letzten Rat. »Wenn dir noch etwas einfällt,
oder wenn du etwas von ihr hörst -«
»Um Himmels willen, Bentz, sie ist tot! T-O-T. Und seit Jesus Christus
hat es meines Wissens keine Wiederauferste hung
mehr gegeben!« Sie schloss die Tür, doch noch bevor sie einschnappte, rief sie:
»Grüß Crystal von mir!« Er machte sich nicht die Mühe, sie zu korrigieren.
Kristi hatte nur vage Erinnerungen an die Stiefschwester ihrer Mutter. Seit
Jennifers Tod hatte Lorraine kein einziges Mal angerufen oder eine Karte
geschickt und auch sonst nicht versucht, mit Kristi in Kontakt zu treten. Bentz
sah keinen Grund, dass sich das jetzt ändern sollte. Er fuhr von Torrance weg,
ohne viel herausgefunden zu haben. Lorraine war damals schon unausstehlich
gewesen, und daran hatte das Alter nichts geändert. Aber die entscheidende
Frage war, ob sie ihm gegenüber ehrlich gewesen war.
Er war sich nicht sicher. Doch sie hatte
Jennifer mit Sicherheit nicht getroffen. Er heftete die Augen auf die Straße
und fuhr nach Norden Richtung Culver City. Auf dem Freeway ging es zügig voran,
trotz des gelben Dunstschleiers, der sich über die Gegend gesenkt hatte. Im
Westen glühte der rote Ball der Sonne in der schmutzigen Luft. Er öffnete das Fenster
einen Spaltbreit und fummelte an der Klimaanlage, während er immer noch über
das nachdachte, was Lorraine ihm zu verstehen gegeben hatte: »Sieh zu, dass du
nach Hause kommst.«
Bentz entdeckte die Schilder zu seiner Ausfahrt
und stellte fest, dass er gut in der Zeit lag. Nur noch ein paar Meilen. Sein
Mobiltelefon klingelte. Er erkannte Montoyas Handynummer und meldete sich.
»Bentz.«
Montoya setzte ihn darüber ins Bild, dass die
Untersuchungen nicht viel ergeben hatten. Außer, dass es sich bei dem Fahrzeug,
in das die vermeintliche Jennifer auf dem Foto stieg, um einen silbernen Chevy
handelte. Und zwar um einen Impala. Genau wie der Wagen, der Bentz' Aufmerksamkeit
auf dem Parkplatz in San Juan Capistrano geweckt hatte. »Ich suche nach einem
sechs oder sieben Jahre alten Chevy Impala mit kalifornischen
Nummernschildern«, erklärte er Montoya, »und einer abgelaufenen Parklizenz von
einem Krankenhaus.«
»Du weißt nicht zufällig, von welchem?«
»Nein. Aber da war ein Symbol ...« Was zum
Teufel war das bloß gewesen? Er konnte sich noch immer nicht erinnern.
»Ich hab in den Nachrichten gesehen, dass ein
weiterer Doppelmord passiert ist. Zwillinge«, sagte Montoya. »Derselbe Täter?«
»Sieht so aus.« Bentz umklammerte das Lenkrad so
fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Von hinten bedrängte ihn ein
schwarzer BMW. Montoya kannte die Geschichte mit dem Caldwell-Fall von vor
zwölf Jahren, Bentz hatte sie ihm vor langer Zeit anvertraut. »Nachahmungstäter?«
»Glaub ich nicht.« Bentz wechselte auf die
Ausfahrtspur, ordnete sich hinter einem alten Pick-up mit Gartengeräten ein und
ließ den Blödmann in dem schwarzen BMW überholen. Der Fahrer musste an die
neunzig Meilen draufhaben.
Dem BMW folgte ein anderer Wagen, der an Bentz'
Escape vorbeizog.
Ein silberner Streifen.
Bentz blickte auf die Rücklichter und stellte
fest, dass es sich um einen Chevy Impala handelte, ein älteres Modell. Am
Steuer saß eine Frau mit rotbraunen Haaren ... und auf der Windschutzscheibe
war ein Aufkleber. Das durfte doch nicht wahr sein! Jennifer!
Er ließ das Handy fallen. »Scheiße.« Er blinkte,
gerade als der Fahrer eines roten VW-Käfers ebenfalls den Blinker setzte und
auf die Ausfahrtspur drängte. Bentz ließ den Motor aufheulen, scherte nur
wenige Zentimeter vor dem VW aus auf die Geradeausspur, dann gab er
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