Mercy Thompson 02 - Bann des Blutes-retail
Tochter. Sie ist dreizehn, und er will nicht, dass ihr etwas zustößt.« Ich musste diesen Tonfall einsetzen, um Bran deutlich zu machen, wie besorgt Black war. Viel zu besorgt, um sich von Brans logischen Schlüssen beeindrucken zu lassen.
»Ich verstehe. Er ist ein bisschen paranoid.«
»Könnte man sagen«, stimmte ich zu.
Bran schwieg einen Moment, dann sagte er: »Hast du ein Blatt Papier zur Hand?«
»Ja.«
»Also gut. Josef hat Recht, keiner von den Rudelführern in dieser Gegend gehört zu den Leuten, denen ich ein Kind anvertrauen würde. Ich werde dir die Namen von ein paar Alphas geben, bei denen seine Tochter sicher sein wird. Anführer, die nichts dagegen haben, wenn ein Journalist weiß, wer sie sind. Es sind nicht viele, und keiner der geeigneten Wölfe lebt irgendwo in der Nähe von Virginia. Glaubst du, was er sagt?«
»Ja«, erwiderte ich.
»Dann werde ich dir auch Orte nennen, an denen die Alphas der Öffentlichkeit nicht bekannt sind, und es auch nicht sein wollen, sich aber um ein junges Mädchen kümmern würden. Wenn er das riskieren will, könnte er dorthin gehen und sehen, ob der Alpha sich mit ihm treffen will.«
Ich schrieb die Namen auf, die er mir sagte, vier Männer, Adam eingeschlossen, und ihre Telefonnummern. Dann schrieb ich fünfzehn Städte auf. Neunzehn Alphas von vielleicht hundertfünfzig, von denen Bran glaubte, man könne ihnen ein Kind anvertrauen.
Das machte mir klar, welches Glück ich gehabt hatte, dass der Werwolf-Verwandte, den meine Mutter um Hilfe mit ihrer
Gestaltwandler-Tochter gebeten hatte, zum Marrok gehörte und nicht zu einem anderen Rudel.
»Du kannst sie auch zu mir schicken«, sagte er schließlich, als ich die Liste beendet hatte.
»Aber –« Ich biss mir auf die Zunge; ich wollte keinem Journalisten verraten, dass der Marrok zu den Werwölfen gehörte, die der Öffentlichkeit noch nicht bekannt waren.
»Ich verlasse mich auf dein Urteilsvermögen, Mercy – und ich habe schon öfter Streuner aufgezogen.« So wie mich.
»Ich weiß.«
Er musste mir meine Dankbarkeit angehört haben, denn ich nahm deutlich das Lächeln in seiner Stimme wahr. »Zumindest einen oder zwei, Mercy. Sag diesem Mann, dass er so bald wie möglich jemanden finden soll, der ihm hilft. Solange er kein Silber benutzt, das ihr Schmerzen zufügt, bezweifle ich, dass er sie für immer in einem Käfig halten kann. Ganz zu schweigen davon, dass sie den Mond nicht braucht, um sich zu verändern. Eines Tages wird irgendetwas sie so verletzen oder erschrecken, dass sie sich verwandelt, und dann wird sie jemanden umbringen.« Bran legte auf.
Ich gab Tom Black die Liste und erklärte ihm, was sie bedeutete. Dann richtete ich ihm Brans Warnung aus. Als er die Worte begriff, senkte er die Waffe, aber ich glaube nicht, dass er das mit Absicht tat. Es war eher so, als würde er in seiner Verzweiflung versinken.
»Hören Sie mir gut zu«, sagte ich. »Sie können nichts dagegen tun, dass sie ein Werwolf ist –«
»Sie wollte sich umbringen«, sagte er mit Tränen in den Augen. »Am Tag nach dem Vollmond. Sie hat sich Sorgen gemacht, dass sie jemandem wehtun könnte. Sie hat sich die Pulsadern aufgeschnitten, aber die Wunden verheilten zu
schnell. Ich würde sie ja zu einem dieser verdammten Seelenklempner bringen, aber ich wage nicht, jemandem davon zu erzählen, was sie ist. Sie hält sich ohnehin schon für ein Monster, sie braucht nicht noch jemanden, der ihr das bestätigt.«
Ich sah, wie Honeys Augen größer wurde, als er das Wort Monster gebrauchte. Nach ihrer Miene zu schließen, hielt sie sich ebenfalls für eines.
Ich sah sie fragend an. Ich wollte kein Mitleid mit ihr haben – es war viel einfacher, sie nicht leiden zu können. Sie schaute verärgert zurück.
»Stecken Sie die Waffe wieder ein«, sagte ich mit der festen Stimme, die gegenüber Werwölfen manchmal funktionierte. Offenbar wirkte sie auf bekümmerte Väter ebenfalls, denn er steckte die Pistole wieder in sein Schulterholster.
»Sie braucht keine Therapie«, sagte ich. »Jedes dreizehnjährige Mädchen will sich irgendwann umbringen.«
Ich erinnerte mich daran, wie ich mit dreizehn Jahren gewesen war.
Als ich vierzehn war, hatte mein Pflegevater Selbstmord begangen, und das hatte mir diesen Impuls für immer genommen. Ich würde das den Leuten, die mir wichtig waren, niemals antun.
»Ich nehme an, einmal im Monat im Keller eingeschlossen zu werden, hilft ebenfalls nicht sonderlich«, fuhr ich fort.
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