Mercy-Thompson 03 - Spur der Nacht-retail-ok
sonderlich große Hoffnung seit meinem Eintreffen weiter abgenommen hatte. Ich hatte geglaubt, hier eine organisierte Gruppe radikaler Gegner des Feenvolks vorzufinden, nicht einen Haufen Bier trinkender Collegekids und ihren Lehrer.
Ich hätte schwören können, dass kein Mörder unter ihnen war.
»Wie wäre es mit einer Cola light?«, fragte Tim freundlich. »Ich hatte auch ein paar Dosen Ginger Ale und Root Beer im Kühlschrank, aber ich wette, diese Pfeifen hier haben die längst vernichtet.«
Die Antworten bestanden in lautem Johlen und Pfeifen seiner Gäste, was ihn offenbar freute. Schön für dich, dachte ich, und er tat mir nicht mehr leid, weil er keine lila Wand und keine Statue hatte, die einen Hut trug. Finde die Gruppe, zu der du gehörst.
»Cola light wäre prima«, antwortete ich. »Du hast hier ein ziemlich beeindruckendes Haus.«
Das freute ihn noch mehr als das Johlen. »Ich habe es nach dem Tod meiner Eltern bauen lassen. Ich konnte es nicht ertragen, allein in ihrem leeren Haus zu leben.«
Da Tim blieb, um mit mir zu reden, war es tatsächlich Courtney, die mir die Cola holte. Sie reichte sie mir und tätschelte Tim dann den Kopf. »Was Tim dir sagen will, ist, dass seine Eltern reich waren. Sie sind vor ein paar Jahren bei einem Autounfall umgekommen, und Tim erbte
ihren gesamten Besitz und eine Lebensversicherung, die lange vorhalten wird.«
Er verzog bei dieser ziemlich offenherzigen Einschätzung vor einer relativ Fremden verlegen das Gesicht. »Ich hätte lieber meine Eltern behalten«, sagte er steif, obwohl er offenbar über die Trauer hinweggekommen war, denn er roch nur verärgert.
Sie lachte. »Ich kannte deinen Vater, Schätzchen. Niemand hätte lieber ihn statt des Geldes gehabt. Deine Mutter war allerdings lieb.«
Er dachte daran, wütend zu werden, aber dann schüttelte er das Gefühl ab. »Courtney ist meine Kusine«, sagte er zu mir. »Das macht sie manchmal reichlich nervtötend – aber ich habe gelernt, sie zu ertragen.«
Sie grinste mich an und trank einen großen Schluck Bier.
Über ihre Schulter hinweg konnte ich sehen, dass die anderen die Stühle wieder in einen lockeren Halbkreis gezogen hatten und sich niederließen, wobei das Essen auf ein paar kleinen, strategisch platzierten Beistelltischen abgestellt worden war.
Tim setzte sich auf einen Stuhl, den jemand anders zurechtgeschoben hatte und bedeutete mir, mich neben ihn zu setzen, während Courtney sich selbst einen Stuhl holte.
Da es sein Haus war, erwartete ich irgendwie, dass er die Führung übernehmen würde, aber es war Austin Summers, der sich nach vorn stellte und einen schrillen Pfiff ausstieß.
Ich wünschte, er hätte mich vorgewarnt. Meine Ohren klirrten immer noch, als er zu sprechen begann.
»Fangen wir an. Wer hat etwas, worüber wir sprechen sollten?«
Es dauerte nur ein paar Minuten, um eindeutig zu wissen, dass Austin tatsächlich der Anführer war. Ich hatte bei der Pizza-Party eine Andeutung seiner Dominanz wahrgenommen, aber mit Tim gesprochen, statt Austin näher zu beobachten. Seine Rolle hier war so etabliert wie die von Adam in seinem Rudel.
Aiden Fideal, der Lehrer und Angehörige des Feenvolks, war entweder der zweite Mann oder der Dritte nach Courtney. Es fiel mir schwer, das zu entscheiden, weil es ihnen offenbar ebenso ging. Die Unsicherheit ihrer Platzierung machte mich ziemlich sicher, dass zuvor O’Donnell diese Stelle innegehabt hatte. Ein kleiner Tyrann wie O’Donnell hätte Austins Führerschaft nicht einfach akzeptiert. Wenn Austin ein Angehöriger des Feenvolks gewesen wäre, hätte er auf meiner Verdächtigenliste ganz oben gestanden – aber er war mehr Mensch als ich.
Während die Besprechung weiterging, verschwamm Tim immer mehr mit dem Hintergrund. Nicht weil er nichts sagte, sondern weil niemand auf ihn hörte, es sei denn, seine Bemerkungen wurden von Courtney oder Austin wiederholt.
Nach einer Weile konnte ich mir aus eher zufälligen Bemerkungen einiges zusammenreimen.
O’Donnell mochte diese Zelle der Besseren Zukunft in den Tri-Cities gegründet haben, aber sie hatten nicht viel Glück gehabt, bevor sie Austin fanden. O’Donnell und Austin waren sich vor ein paar Jahren in einer Klasse des Community College begegnet. O’Donnell hatte das BFA-Programm genutzt, das für Weiterbildung von Wachtposten
im Reservat zahlte. Austin war sowohl an der Washington-State-Universität als auch am Community College und hatte beinahe seinen Abschluss als
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