Mercy Thompson 04 - Zeit der Jäger-retail-ok
auszurechnen, wie groß die Bedrohung war, die von ihnen ausging.
Bei meiner ersten Begegnung mit Marsilia hatte ich sie irgendwie bewundert … zumindest, bis sie Samuel in ihren Bann gezogen hatte. Das hatte mir Angst gemacht. Samuel ist der zweitdominanteste Wolf in Nordamerika, und sie und ihre Vampire hatten ihn … allzu leicht übernommen. Und diese Angst hatte seitdem bei jedem Treffen zugenommen.
»Ich will nicht diskutieren, Stefan«, sagte ich. »Aber sie ist völlig bekloppt. Sie wollte noch eines von diesen … Dingern schaffen, wie das, das Andre gemacht hat.«
Seine Miene wurde ausdruckslos. »Du weißt nicht, wovon du redest. Du hast keine Ahnung, was sie aufgegeben hat, als sie hierherkam, und was sie für uns getan hat.«
»Vielleicht nicht, aber ich habe diese Kreatur gesehen,
und du auch. Nichts Gutes kann jemals daraus entspringen, noch eine zu machen.« Besessenheit ist nichts Schönes. Ich holte tief Luft und bemühte mich, mein Temperament zu zügeln. Es gelang mir nicht. »Aber du hast Recht, ich weiß nicht, wie sie tickt. Dich kenne ich auch nicht.«
Er sah mich nur weiter ausdruckslos an.
»Du spielst den Menschen sehr gut, wie du in deiner Mystery Machine herumfährst wie Shaggy. Aber der Mann, von dem ich glaubte, ihn zu kennen, hätte niemals so einfach Andres Opfer umbringen können.«
»Wulfe hat sie getötet.« Es war eine Feststellung, keine Verteidigung. Das machte mich wütend; er sollte das Bedürfnis haben, sich zu verteidigen.
»Du hast zugestimmt. Zwei Leute, die bereits Opfer waren, und ihr habt ihnen das Genick gebrochen, als wären sie nicht mehr als Hühner.«
Ungefähr an diesem Punkt wurde auch er wütend. »Ich habe es für dich getan. Verstehst du nicht? Sie waren nichts, weniger als nichts. Obdachlose, die sich selbst überlassen sowieso gestorben wären. Und sie hätte dich umgebracht.« Als er fertig war, stand er.
»Sie waren nichts? Woher weißt du das? Es war ja nicht so, als hättest du dich mit ihnen unterhalten.« Ich stand auch auf.
»Sie hätten sowieso sterben müssen. Sie wussten von uns.«
»Und da gehen unsere Meinungen auseinander«, hielt ich dagegen. »Was ist mit eurer vielgerühmten Macht über den Geist des Menschen?«
»Das funktioniert nur, wenn der Kontakt zu uns sehr kurz ist – eine Nährung, nicht mehr.«
»Sie waren lebende, atmende Menschen, die umgebracht wurden. Von dir.«
»Woher wusstest du, dass Mercy in Andres Haus war?« Warrens ruhige Stimme wirkte wie ein Eimer eiskaltes Wasser. Er kam die Treppe herunter, ging an mir vorbei und benutzte den Schlüssel, um den Käfig zu öffnen. »Das frage ich mich schon seit einer Weile.«
»Was meinst du?«
»Ich meine, dass wir wussten, dass sie Andre gefunden hat, weil sie es Ben erzählt hat und dachte, er könne es niemandem sagen, weil er sich in der ganzen Zeit seit dem Tod des Besessenen nicht aus der Wolfsform zurückverwandelt hatte. Ben verwandelte sich, um es uns zu sagen, aber wir konnten ihr trotzdem nicht folgen, weil wir nicht wussten, wo Andres Haus war. Du hattest keine Möglichkeit zu wissen, was sie tat. Woher wusstest du, dass sie dabei war, Andre zu töten, sodass du rechtzeitig auftauchen konntest, um ihr Verbrechen zu vertuschen?«
Stefan machte keine Anstalten, aus dem Käfig herauszukommen. Er verschränkte stattdessen die Arme und lehnte sich gegen das Gitter, während er über Warrens Frage nachdachte.
»Es war Wulfe, oder?«, fragte ich. »Er wusste, was ich tat, weil eines der Häuser, das ich gefunden hatte, seins war.«
»Wulfe«, meinte Warren langsam, als Stefan nicht antwortete. »Ist er die Art von Mann, die darüber entrüstet wäre, dass Marsilia einen Dämonen rufen wollte, um einen Vampir in Besitz zu nehmen? Würde er das stoppen wollen, auch wenn es bedeutete, Andre zu zerstören? Würde er dich aufsuchen, um dich um Hilfe zu bitten?«
Stefan schloss die Augen. »Wulfe kam zu mir. Erzählte mir, dass Mercy in Schwierigkeiten stecke und Hilfe bräuchte. Erst danach fing ich an, mich zu fragen, warum er das getan hatte.«
»Du hast darüber schon nachgedacht«, sagte Warren. »Was ist deine Erklärung?«
»Spielt das eine Rolle?«
»Es ist immer gut, seine Feinde zu kennen«, antwortete Warren mit seinem gedehnten texanischen Akzent. »Wer sind deine?«
Stefan starrte ihn an wie ein gehetzter Bär, frustriert und wild. »Ich weiß es nicht«, presste er durch die Zähne hervor.
Warren lächelte kalt. Seine Augen waren hart.
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