Merode-Trilogie 1 - Teufelswerk: Historischer Krimi aus der Herrschaft Merode (German Edition)
diese Frage kam ihm wie eine Eingebung.
Mit einer ansatzlosen Drehung schnellte er herum und stieß dem zweiten Angreifer den Dolch in den Bauch. Schreiend ließ dieser die erhobene Axt fallen und sank auf die Knie. Blitzschnell wandte Heinrich sich wieder dem anderen zu, dessen Unterkiefer fassungslos nach unten klappte. Der Pockennarbige torkelte einige Schritte rückwärts und suchte dann rennend das Weite.
Der verletzte Angreifer hatte sich in der Zwischenzeit aufgerappelt. Entsetzt presste er beide Hände auf seine blutende Bauchwunde, bedachte Heinrich mit einem ungläubigen Blick aus schielenden Augen, wohl wissend, dass er diese Verletzung kaum überleben würde. Dann folgte er dem Kumpan hinkend den Hang hinab, hinter sich eine Blutspur zeichnend.
Als die Flüchtenden aus seinem Blickfeld verschwunden waren, ließ Heinrich sich stöhnend auf den Hosenboden sinken.Seine Schulter brannte unerträglich, ein Meer von roter Flüssigkeit färbte den Ärmel seines Wamses. Er riss ein Stück Stoff aus seinem Hosenbein, wickelte es notdürftig um die verletzte Schulter. Vor ihm stand plötzlich sein schnaubendes Pferd.
Heinrich biss auf die Zähne. „Was gibt’s da zu glotzen, Thusnelda? Keine Sorge, Unkraut vergeht nicht so leicht. Verrat’ mir lieber, wo dieser vermaledeite Köter abgeblieben ist …“
Als hätte er die Stimme seines Herrn vernommen, stürmte Chlodwig in diesem Moment aus dem nahen Waldstück herbei. In seinem Maul baumelte ein toter Hase; voller Stolz legte er den Kadaver Heinrich in den Schoß. Der warf ihn unwirsch beiseite.
„Das ist wieder mal typisch für dich, Chlodwig“, fluchte er, „sobald man dich braucht, bist du beim Jagen.“
Der Hund legte die Ohren an. Schien erst jetzt zu bemerken, dass irgendetwas nicht seine Richtigkeit hatte. Aufgeregt schnüffelte er im Gras und fand die Blutspuren. Begann dann wütend zu knurren und sah seinen Herrn fragend an.
„Lass es gut sein“, brummte Heinrich, „habe die Strauchdiebe auch ohne deine gütige Mithilfe in die Flucht geschlagen.“
Er atmete tief durch. Dem Tod war er nur knapp entkommen. Irgendwer wollte, dass er lebte. Doch wer war dieser
Irgendwer?
Gott?
Heinrich schüttelte grübelnd den Kopf. Im Tal läuteten Glocken, und am Horizont verschwand allmählich der rote Sonnenball.
22
Mathäus fühlte sich leer und ausgelaugt, als er am nächsten Morgen erwachte. Die halbe Nacht lang hatte er sich schlaflos auf seinem Lager gewälzt und nach Antworten gesucht. Übermorgen sollten die Mörder der beiden jungen Frauen hängen, doch lediglich einer der Inhaftierten, Tobias Hompesch, war bislang als Täter entlarvt worden. Wer war der zweite Mörder? Konrad und Paulus drängten nach Aufklärung. Es war dem Dorfherrn klar, dass sie es in Kauf nehmen würden, auch einen Unschuldigen zu richten, um keinen Unmut unter den Bauern zu schüren. Inzwischen tat es ihm leid, den Bauernsohn in das Verlies gesperrt zu haben, obwohl es dafür gute Gründe gegeben hatte. Vielleicht hätte er anders vorgehen sollen, und –
Nein und nochmals nein! Verärgert über sich selbst schüttelte Mathäus den Kopf und schob die Schale mit dem Frühstücksbrei beiseite. Er hatte getan, was er für richtig gehalten und sein Gewissen ihm befohlen hatte. Dazu musste er stehen. Was scherten ihn die Abwägungen eines Konrad oder Paulus, wenn es um die Wahrheit ging? Diese Wahrheit wollte noch gefunden werden, koste es, was es wolle, bei allen Heiligen! Zwei Tage blieben ihm noch.
Sein Blick fiel auf den Lindenklotz, der roh wie ehedem in einer Ecke der Stube auf seine Verwandlung wartete. Maria mit dem Kinde! „Bald“, murmelte Mathäus, „bald mach ich mich an die Arbeit. Doch zuerst muss ich noch einen Mörder überführen.“
Der Dorfherr hatte nachgedacht.
Wenn du nach einer Lösung suchst, und sie will dir nicht einfallen, dann frag’ die Leute Löcher in den Bauch!
Na schön. Heinrich musste sich ja bei diesem Ratschlag etwas gedacht haben. Durch unablässiges Befragen der Leute hoffte Mathäus also die Wahrheit ans Licht zu bringen, wenngleich er sich eingestand, dass dies eher einem Akt der Verzweiflung glich.
Sein Weg führte ihn an diesem Morgen vom Ober- zum Unterdorf, von den Feldern am Waldsaum zu denen jenseits der unteren Ortsgrenze. Er befragte Bauern und Bäuerinnen, Mägde und Knechte, Kinder und Greise. Irgendwo mussten sich doch neue Anhaltspunkte ergeben. Aber die Auskünfte, die er erhielt, enttäuschten ihn. Einige
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