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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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geändert habe
sich jedoch lediglich die Tonlage der Stimmen.
    Unser Archäologe hielt dies für unausweichlich:
innerhalb des demokratischen Prozesses Macht zu gewinnen erfordere
männliche Tugenden wie Skrupellosigkeit und persönlichen
Ehrgeiz (interessanterweise stellte niemand diese Einstufung in
Frage), also seien die Frauen, die sie dabei unterstützten,
daß das System funktionierte, selber offensichtlich skrupellos
und ehrgeizig.
    Wir fuhren unter Motor den See hinauf. Die Grenze am anderen Ende
wurde durch eine Enge markiert, die von einer Hängebrücke
überspannt war, sowie einem Dorf mit leuchtend gestrichenen
Häusern, und jenseits davon öffnete sich das Wasser wieder,
und das Ufer säumten erodierte Sandsteinklippen.
    Als einzig anwesender Journalist fühlte sich Mark
bemüßigt, darauf hinzuweisen, daß Michael Volkovs
Sicht der Dinge eine Vereinfachung sei. Nicht der demokratische
Prozeß erforderte jene männlichen Tugenden, sondern die
Männer, die den demokratischen Prozeß noch immer unter
Kontrolle hielten.
    Helga Chavas verteidigte sich, daß nicht so sehr die
Männer verantwortlich seien – sie waren schließlich
eine winzige Minderheit –, sondern die männliche
Weltanschauung. Eingefahrene Gedanken, sowohl bei Frauen wie auch bei
Männern, müßten verändert werden. Sie erkannte
das an sich selbst. Man benötigte Zeit.
    Es war großartige Wahlkampfarbeit, niemand hatte unrecht,
alle hatten recht, und sie selbst hatte von allen am meisten recht,
aber niemand spendete Beifall. Wenig großzügig wollte
Chuck wissen, wieviel Zeit. Jemand in seinem eigenen Land hatte
geschätzt, daß die USA, je länger der
Bevölkerungsrückgang währte, immer weniger bereit
seien, eine Frau zur Präsidentin zu wählen. Er konnte sich
eine Situation vorstellen, bei der lediglich ein Mann in den
Vereinigten Staaten am Leben geblieben war, ein einhundertzehn Jahre
alter Hausmeister mit Plattfüßen und Mundgeruch, und er
würde mit überwältigender Mehrheit gewählt. Und
sie würden die Verfassung ändern, um ihm zu einer dritten
Amtsperiode zu verhelfen, falls – Gott möge helfen! –
er so lange lebte.
    Magnus protestierte, und Mark schloß sich ihm an. Die
Politik war nicht nur etwas für Politiker. Er wies auf den
kürzlichen Aufruhr auf den Philippinen hin. Der Präsident
der USA hatte über die Köpfe von Kongreß und Senat
hinweg amerikanische Truppen zur Verteidigung US-amerikanischer
Interessen in einem Krieg eingesetzt. Eine Million Frauen
marschierten nach Washington. Sie taten nichts. Sie waren
Aufrührerinnen und wurden niedergeschlagen. Sie taten
nichts.
    Eine Million Frauen. Der Präsident änderte seine
Meinung. Das Schweigen brachte ihn förmlich um.
    Es war fast drei Uhr nachmittags, und das Ende des Sees war unser
Umkehrpunkt. Mark stieß mich unauffällig an und zeigte
hinaus: zwei Hochgeschwindigkeitsbarkassen der Polizei trödelten
vorüber, die an der Hängebrücke am Eingang zur Enge
patrouillierten. Der Bug war verstärkt worden, zum Rammen, und
sie hatten Raketenwerfer auf den Vordecks. Mir wäre lieber
gewesen, er hätte sie mir nicht gezeigt. Ich hatte nicht mehr
daran gedacht: jetzt brannten mir die Wanzen auf Nacken und Hand,
spielten die Nationalhymne und sprühten Funken.
    »Es ist wohl eine reguläre Patrouille«, murmelte
er. »Für den Drogenhandel wäre eine solche Stelle ein
gefundenes Fressen.«
    Ich nickte. Jeder andere Gedanke wäre paranoid. Die jungen
Drogenbaronessen waren ebenso aktiv wie ihre männlichen
Vorgänger, wenn auch nicht so gewalttätig. Mark zufolge,
dessen Job ihn mit der Polizei in Kontakt brachte, beherrschten sie
ihre Imperien eher durch faire Gehälter als mit
Schußwaffen: jeder, bis hinab zum bescheidensten
Straßendealer, wurde angemessen bezahlt, und sie boten eine
Karriere an… Aber zwei Patrouillenboote im hellen
Tageslicht, die einen Ausgang bewachten? Nun ja, am
Sonntagnachmittag, in hellem Tageslicht, für jeden sichtbar,
waren sie vielleicht um der Gesellschaft willen zusammengekommen.
    Die Unterhaltung plätscherte weiter dahin. Gila Asgeirson
überlegte, ob Hormos wählbar seien. Michael meinte nein.
Sie spielten das Nach-dem-Essen-Spiel. Selbst wenn ich ihnen von
meiner Therapie des Syndroms hätte berichten können,
hätte ich es nicht getan. Nicht damals, dort auf Magnus’
Yacht auf dem Marandelsee.
    Ich war nicht bereit dazu. Während ich mich nach dem Grund
fragte, wurde mir klar, was dieser Augenblick bedeuten würde.
Das Ende

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