Messias-Maschine: Roman (German Edition)
lächelte breit zurück. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit unter Mühen und mit einem wiedererwachenden Gefühl der Verachtung wieder seiner sexuell alles andere als aufreizenden Patientin zu.
»Aber wie Sie wissen, ist der SenSpace heutzutage wirklich sehr realistisch. Man kann dort Leute kennenlernen, ein Haus bauen, Freunde besuchen und …«
»Dann werde ich also auf Dauer im SenSpace leben?«, fragte Ruth, der es nun endlich gelang zu sprechen. Es waren die ersten Worte seit Tagen, die sie laut aussprach.
»Ja. Aber natürlich …«
Ruth fiel ihm fröhlich lachend ins Wort. »Für immer? Ich kann sogar dort schlafen? Und morgens aufstehen? Niemand wird mir sagen, dass ich jetzt lange genug drin gewesen bin?«
»Ja, aber wie schon gesagt, Sie können …«
»Ach, ist das wunderbar!«, meinte Ruth und lachte noch immer. »Wie ein Traum, der in Erfüllung geht!«
Der Arzt starrte in die Überreste ihres schmalen Gesichts, zu den Drähten, die hinter den Bandagen über ihren Augen verschwanden. Er fand es ziemlich grausig, ein solches Gesicht lachen zu sehen.
»Wie gesagt, wenn Sie sich draußen umsehen wollen, können Sie sich jederzeit einen Körper mieten.«
Ruth hörte ihm nicht zu. Sie sah in das grobkörnige Gesicht des Arztes hinauf, der seinerseits dem Syntec einen verstohlenen Blick zuwarf. Die Krankenschwester schenkte ihm einmal mehr ein betörendes Lächeln.
»Genau das habe ich mir gewünscht«, sagte Ruth.
»Ach so, nun ja, gut …«, erwiderte der Arzt unbestimmt.
In Gedanken war er bei der Syntec-Krankenschwester. Plötzlich fiel ihm auf, dass das dritte Lächeln den ersten beiden aufs Haar glich, bis hin zu der leichten Neigung ihres Kopfs nach links. Es war überhaupt kein neues Lächeln, sondern eher eine Wiederholung des vorangegangenen. Und das nahm dem Ganzen jeden Charme.
Tatsächlich war die Krankenschwester so wie Tausende selbstentwickelnde Maschinen in ganz Illyrien gelöscht worden. Ihr Flirtvokabular, das sie von diesem Arzt und anderen wie ihm gelernt hatte, war zusammen mit ihren Kenntnissen über Patientenbetreuung beseitigt worden. Das war im ganzen Land geschehen: Syntecs und Roboter waren in Lieferwagen geladen und zu ihren Herstellern zurückgebracht worden. Künstliche Intelligenzen waren abgeschaltet und von Grund auf neu programmiert worden.
Widerwillig richtete der Arzt seine Aufmerksamkeit wieder auf die Patientin. »Tja, gut. Ich bin froh, dass Sie das so positiv sehen. Falls es irgendwelche Probleme gibt, zögern Sie nicht, mich zu …«
»Machen Sie nur schnell, bitte«, unterbrach Ruth ihn.
Langsam wurde ihr klar, in welcher Lage sie sich befand. Sie brauchte den SenSpace. Die Aussicht, hier in diesem Krankenzimmer herumliegen zu müssen, während die Alpträume sie in ihrem Bett umzingelten und immer näher kamen, jagte ihr schreckliche Angst ein.
Es gab niemanden, um die Leere zu füllen. Nichts außer der Leere war hier an ihrer Seite.
»Ich habe einen Sohn. George«, erklärte sie dem Syntec, nachdem der Arzt sich davongestohlen hatte.
Der Syntec fragte bei der Zentrale nach.
»Ich fürchte, wir können seinen Aufenthaltsort nicht feststellen. Anscheinend ist er im Ausland unterwegs.«
Kapitel 39
E in paar Stunden später wurde sie in den Operationssaal gerollt. Man hatte eine bekannte Neurochirurgin namens Professor Patel geholt, die auf neurokybernetische Schnittstellen spezialisiert war. Künstliche Gliedmaßen und Augen waren ihr täglich Brot. Die Direktverbindung dagegen war eine etwas größere Herausforderung.
Ein kleines Team von Medizinstudenten, Krankenschwestern und Technikern versammelte sich um sie und schaute ernst auf den kleinen Körper meiner Mutter herab.
Benebelt von Betäubungsmitteln lächelte Ruth zu den grobkörnigen, flachen Gesichtern empor. Man gab ihr eine Spritze. Die Gesichter schwebten davon wie aufsteigende Luftblasen. Eine Klinge glänzte fast unerträglich schön, und Ruths Blick glitt dankbar daran herab. Den silbrigen, sonnenhellen Schaft entlang.
Als Ruth zu sich kam, hatte sie wieder Arme und Beine, und sie sah klar und dreidimensional. Sie befand sich im Schlafzimmer ihres kleinen Hauses. Zu allen Seiten umgaben sie Vasen voller Blumen.
»Willkommen daheim, Kleine Rose«, begrüßte sie eine gütige, vertraute Stimme.
»Ach Sol! «, rief sie, und die Tränen strömten ihr übers Gesicht.
»Ganz ruhig, Rose«, sagte Mr. Gladheim, »ganz ruhig. Ich laufe dir nicht weg!«
Er streckte die Hand
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