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Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Titel: Messias-Maschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Beckett
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meines Körpers statt: durch die zerklüfteten Berge meiner schmerzenden Füße, den finsteren Sumpf meines pochenden Schädels, die schneidenden Winde meiner erfrorenen Hände …
    Doch von Zeit zu Zeit schaute ich aus dieser Landschaft hinab und sah, weit unter mir, eine winzige, durchnässte Gestalt, die langsam über eine schlammige Gebirgsstraße humpelte.
    »Warum muss ich immer dem zusehen?«, beschwerte ich mich. »Immer nur dem. Warum dem und nicht einem anderen?«
    Eines Tages, als ich mich schutzsuchend unter einen Felsvorsprung gekauert hatte, schlief ich ein und träumte von Lucy. Irgendwie war sie zu einem echten Menschen geworden. Zuerst freute ich mich und streckte die Hand aus, um sie zu begrüßen. Und sie lächelte, doch dann begann sie einmal mehr damit, sich das Fleisch von den Knochen zu reißen. Diesmal kam darunter kein Plastikgehäuse zum Vorschein. Stattdessen waren dort Eingeweide, Lungen, ein pochendes Herz, eine Leber – sanft pulsierende Organe glitten mit leisen, schmatzenden Lauten aus ihr heraus … Lucy lachte. Mit einem Mal weckte mich tosender Lärm vom Himmel.
    Es waren illyrische Kampfflugzeuge, die nordwärts nach Wien rasten, um die heiligen Verschwörer mit Feuer zu strafen.
    Regen tröpfelte mir vom Felsüberhang ins Gesicht.

    Nach einer Weile kam ich unter Schmerzen auf die Beine. Erst da bemerkte ich, dass ich nicht allein war. Drei Jäger hatten weiter hinten unterm Überhang Schutz gesucht und saßen um ein kleines Feuer. Auch sie bemerkten mich erst, als ich mich bewegte. Nun schauten sie einander grinsend an.
    »Wo kommst du her, mein Freund?«, sagte der Erste und kam auf mich zu.
    »Was hast du dabei?«
    »Weißt du nicht, dass das Land hier Privatbesitz ist?«
    Ihre nikotinverfärbten Zähne mit den breiten Lücken dazwischen hatten etwas Raubtierhaftes. Wie Wölfe kreisten sie mich ein.
    »Du bist doch ein Junge aus der Stadt, oder?«
    »Euer Präsident Schlitzauge hat uns gerade den Krieg erklärt, mein Freund.«
    »Damit bist du wohl ein Feind, nicht wahr? Hä? Damit bist du ein Feind.«
    Ein Stiefel wurde mir in den Magen gerammt. Die graue Landschaft in meinem Kopf zersprang in ein Gitterwerk aus Übelkeit und Schmerz. Die kleine, durchweichte Gestalt gab einen jämmerlichen Schrei von sich.
    Und dann fielen die drei über mich her, zogen mir den Geldbeutel aus der Tasche und nahmen mir die alten Schuhe ab, die mir die Witwe gegeben hatte.
    »Schaut euch das an! Golddollars aus der Stadt!«
    »Dieser Pass dürfte den einen oder anderen Dinar wert sein.«
    »Ja, aber jetzt wollen wir dem hübschen Jüngelchen aus der Stadt eine richtige Lektion erteilen.«
    Die anderen beiden lachten. Hände zerrten an meinen Kleidern. Ich rechnete mit Schlägen. Erst im letzten Moment wurde mir klar, dass sie mich vergewaltigen würden.
    Aus großer Höhe sah ich zu, wie sie mich einer nach dem anderen misshandelten. Mir fiel auf, dass es schrecklich weh tat. Es fühlte sich an, als würden meine Eingeweide der Länge nach aufgerissen.
    Und dann schien dieser Teil vorbei zu sein. Anscheinend traten sie mich immer noch dann und wann, aber das spielte keine große Rolle mehr. Die Welt war wieder ruhig und beinahe friedvoll. Mit dem Gesicht nach unten und bis zu den Knien runtergezogenen Hosen lag ich im Schlamm und versank erneut in meinen Träumen.
    Einmal mehr riss Lucy ihren Leib auf, einmal mehr rutschten die Organe aus ihr heraus. Ich spürte den Schmerz, als sei es mein eigener …
    Ich öffnete die Augen und stellte fest, dass ich allein war. Wo waren die Jäger? Ich erinnerte mich dunkel, dass sie mich nach der Vergewaltigung weiterhin getreten hatten, aber ich war mir nicht mehr sicher, was anschließend passiert war. Vielleicht waren sie immer noch damit beschäftigt gewesen, mich zu treten, als ich wieder eingeschlafen war. Jedenfalls waren sie irgendwann gegangen.
    Gut möglich, dass sie mich für tot gehalten hatten.

Kapitel 65
    I ch hatte Glück. Der Felsüberhang, unter dem ich Schutz gesucht hatte, lag unmittelbar vor einer Passhöhe. Als ich hinaufwankte, sah ich, dass sich nicht weit unterhalb des Kamms eine Siedlung befand: um die zwanzig Pfannendächer inmitten von Bäumen und Feldern und ein großes, weißes Kirchengebäude mit einem Glockenturm, eine Art Kloster, im Herzen des Dorfes.
    Sehr langsam ging ich hinunter, wobei ich ein Bein nachzog wie ein alter Mann. Der Regen beruhigte sich ein bisschen, doch wegen ihm war alles überflutet. Um mich herum

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