Mexiko, mein anderes Leben (German Edition)
vielleicht würde es der Anfang meiner Laufbahn als Malerin in Mexiko sein? Ich sollte hauptsächlich Stillleben mit typisch mexikanischen Tontöpfen malen. Das war für mich eher langweilig, aber um weiterzukommen, hatte ich keine andere Wahl. Ich musste mir einen Namen machen und diese Galerie war ein tolles Sprungbrett für mich. Meinen Termin zur Abgabe hielt ich auch ein und der Galerist war ganz begeistert von meinen Werken. Wenn er sie schnell verkaufen konnte, sollte ich weitere Bilder malen.
Nach ein paar Tagen besuchten wir wieder die große Galerie und meine Werke hingen mit einem schwarzen Rahmen versehen an der Wand und fielen sofort jedem Besucher ins Blickfeld. Trotzdem war meine Freude etwas getrübt, denn die Galerie verkaufte meine Bilder für den zehnfachen Preis, den sie mir dafür bezahlt hatten. Natürlich machte es mich stolz, aber gleichzeitig fühlte ich mich ausgebeutet. Tatsächlich fanden sich auch schnell Käufer für die Gemälde und die Wand war wieder leer. Ich lieferte weitere Bilder, aber wir dachten darüber nach, wie wir eine andere Möglichkeit finden konnten, eigenständiger und unabhängiger zu arbeiten. Durch Zufall lernten wir einen einheimischen mexikanischen Maler kennen. Silvestre malte aber nicht zu Hause in einem Atelier wie ich, sondern er war fest angestellt in der Galerie und
malte dort. Fast jeden Tag besuchten wir ihn und schon beim Zusehen konnte ich viel von ihm lernen. Auch er fühlte sich dort ausgebeutet und suchte schon lange nach einer Möglichkeit, seine Bilder selbst zu verkaufen und nicht für ein Zehntel des Wertes seine Kunst der Galerie anzubieten. Daher entwickelten Robert und Silvestre eine neue Idee und für mich begann eine ganz neue Phase auf meinem künstlerischen Weg.
Sylver, so sein Künstlername, hatte eine kleine Wohnung und eine große Familie. Neben seiner Begabung hatte er auch die nötigen Kenntnisse für die Malerei, aber es fehlte ihm der Platz und die nötige Ruhe, um bei sich zu Hause seine Malerei ausleben zu können. Aber wir hatten ein großes Haus mit viel Platz und meistens herrschten bei uns Frieden und Ruhe. Besonders in den Sommermonaten, wo wir keine Gäste hatten. Also hatte der eine das, was dem anderen fehlte. Wir gaben Sylver die Möglichkeit bei uns im Haus zu malen und eine Werkstatt einzurichten, wo er auch die großen Leinwände selbst herstellen konnte. Er brauchte dafür keine Miete zahlen, als Gegenleistung wurde er mein ganz privater Lehrer und wir konnten außerdem billiger als in den Geschäften die Leinwände von ihm kaufen. Das war für ihn und für uns ein guter Deal und wir waren alle sehr glücklich mit dieser Lösung.
Nun begann für mich die Zeit der intensiven Schule und ich kann heute sagen, dass ich niemals vorher so viel lernen konnte, wie in Sylvers Privatunterricht. Es war zum Teil sehr anstrengend, weil ja mein Englisch nicht so gut war. Aber wenn die Worte nicht ausreichten, dann versuchten wir es mit Händen und Füßen, was wunderbar funktionierte. Meine Bilder bekamen durch seine Schule eine ganz andere Qualität. Viel detaillierter, genauer und einfach professioneller. Er verriet mir auch viele Tricks und seine eigenen Geheimnisse der Kunst. Bald trennten wir uns endgültig von der großen Galerie und arbeiteten daran, unsere Bilder selbst zu verkaufen. Das war alles so aufregend und neu für mich, aber es motivierte mich immer mehr. Sylver war schon wie ein Mitglied der Familie, und bald sollten wir auch seine Frau und die drei Kinder kennenlernen.
Wir planten ein gemeinsames Essen in unserem Haus, welches seine Frau für uns kochen wollte. Natürlich dachte ich, das Essen sei nur für unsere beiden Familien. Aber bei den Mexikanern wird eine Einladung anders verstanden als bei uns Deutschen und daran mussten wir uns erst gewöhnen. Hier laden wir zwei Gäste ein, aber es kommen viel mehr. Die zwei Mexikaner haben ja auch Freunde, die doch gerade heute so allein sind. Diese können natürlich nicht ihre Kinder zu Hause lassen. Und die Kinder haben ja auch noch Freunde. Und die Kinder von den Freunden haben Eltern. Das ist eine Kette ohne Ende. Und ganz schnell wurde aus dem kleinen Essen eine Party mit zwölf Erwachsenen und acht Kindern. Ich dachte, ich falle in Ohnmacht, als ich die Tür öffnete und zwanzig große und kleine Mexikaner in unser Haus marschierten. Mein erster Gedanke war wieder mal typisch deutsch: Reicht
Weitere Kostenlose Bücher