Mich gibt s ubrigens auch fur immer
Mann, er sollte sich nicht nur einen neuen Haarschnitt, sondern auch ein neues Lieblingswort zulegen.
»Na ja, ich weià nicht.« Irgendwie nervt es mich, dass er alle Vatersorgen ganz dreist für sich pachten will und jeder andere Vater in seinen Augen nur »cooler« sein kann als der eigene.
»Genau genommen ist er Guru in einem Hippie-Camp in Indien«, sage ich bissig. Warum sollte ich meinen Erzeuger eigentlich schützen.
»Cooool!«
Ich habe glatt vergessen, wie jung mein neuer Freund ist.
»Wie heiÃt du eigentlich?«
»Stefan.«
»Fein, ich bin Tanja. Und jetzt muss ich langsam mal den Laden hier schlieÃen. Aber ich melde mich auf jeden Fall, wenn ich etwas von einem Job höre.«
»Echt?«
»Na klar.«
Widerwillig steht er auf und schlieÃt den ReiÃverschluss seiner Jacke.
»Ciao«, sagt er und schüttelt mir ungeschickt die Hand.
An der Tür dreht er sich wieder um. »Darf ich denn mal wieder vorbeikommen?«
»Na klar, dies ist ein Laden, weiÃt du. Wir lassen jeden rein.«
Mitleidig schaue ich auf Stefans hängende Schultern, als er vor dem Laden die StraÃe überquert.
Ich frage mich, wer von uns nun schlechter dran ist. Ist es besser, einen Vollidioten als Vater vor Ort zu haben oder lieber einen in weiter Ferne? Auf mein Leben hat mein Vater doch kaum Einfluss. Meine Entscheidungsschwäche und Wankelmütigkeit im Berufsleben kann ich ihm wohl eher nicht zuschieben. Man könnte höchstens sagen, dass mir insgesamt so eine Art Leitfaden fehlt. Aber zu viel Leitfaden ist auch keine Lösung â siehe Stefan, den ich ganz und gar nicht beneide. Aber wenn ich doch so Vater-emanzipiert bin, wieso kann ich meinen nicht einfach ganz gelassen zu meiner Hochzeit einladen, und worüber ärgere ich mich dann so, wenn ich an ihn denke? Und überhaupt: Haben Frauen mit Vaterproblem nicht eher Männerprobleme als berufliche Probleme? Aber ich laufe doch gar keinen älteren Männern hinterher, die mich ablehnen. Was ist also mein Problem? Mir schwant, dass das alles irgendwie mit der »Wer bin ich?«-Frage zusammenhängt. Und die fehlende Antwort damit, dass ich mich konsequent weigere, einen Blick auf diesen Teil von mir zu werfen, auf die Wurzeln, auf die Familie. Ich wünschte, ich hätte den Indienbesuch schon hinter mir. Hoffe, dort ohne groÃe Anstrengung oder langwierige Meditation so etwas wie eine spontane Erleuchtung zu erleben, die Licht in alle meine Angelegenheiten bringt.
Ich gehe noch mal durch alle Regale und sortiere Bücher wieder ein, die Kunden einfach nur abgelegt haben. Darunter »Väter und Töchter«. Ich mache Feierabend.
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P fui! Aus!«, ruft Juli lachend, als ich ihr am Telefon von meinem erfolgreichen ersten Tag â das Leben eines jungen Mannes verändert, Bücher verkauft, mich als Dekorateurin betätigt â berichte. »Du willst jetzt aber nicht Buchhändlerin werden, oder?«
»Natürlich nicht«, lüge ich beleidigt.
»Wir fahren übrigens allein nach Indien. Peter hat seiner Freundin versprochen, noch in diesem Jahr mit ihr für eine Weile nach China zu fahren. Und für zwei Fernreisen reicht das Geld nicht, hat er mir vorhin erzählt.«
»Macht nichts, ich freue mich, wenn du mitkommst.« Vielleicht ganz gut, wenn wir nicht gleich als ganz groÃe Runde da einfallen. Und bei einem philosophischen Berater weià man ja auch nie, ob er nicht Gefallen an dem ganzen Blödsinn findet und sich gleich als Zweit-Guru in der Kommune einnistet.
»Morgen ist Silvester«, sagt Juli plötzlich nachdenklich und ganz ohne Zusammenhang.
Da hat sie vollkommen recht. Es wird das erste Silvester, das wir nicht alle gemeinsam auf einer groÃen Party verbringen, sondern in gemütlichen Pärchenabenden in unseren jeweiligen Wohnräumen feiern. Ich weiÃ, dass ich dabei nichts versäume. Ich war schon auf zu vielen schlechten Silvesterpartys. Meistens habe ich den Barkeeper gespielt, spätestens eine Minute nach Mitternacht hätte ich mir jedes Mal ein Schild umhängen können, auf dem »Therapeut« steht. Entweder hat der begehrte Partner für den Abend um Mitternacht mit einer anderen geknutscht, oder die Beziehung oder gleich das ganze Leben wurden anlässlich des anstehenden Jahreswechsel in Frage gestellt, was für Zoff und Tränen gesorgt hat. Nein
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