Mich gibt s ubrigens auch fur immer
sicher nicht den ganzen Laden auf den Kopf stellen.
»Vielleicht mache ich das«, sage ich dennoch, um einer längeren Diskussion mit Lilly auszuweichen.
»Stell dir dabei die Kunden vor, die du gerne in diesem Laden hättest. Dann werden Sie kommen«, erklärt Lilly überzeugt.
»Okay«, antworte ich schwach. Ich glaube nicht, dass es so funktioniert. Mir würde es auÃerdem schon genügen, wenn ich nicht noch mehr Menschen vergraule.
»Na ja, ich muss weiter«, flötet Lilly und verschwindet wieder.
Dann bin ich eine ganze Weile alleine im Laden. Ich schaue mich auf den Tischen um. Der Tisch mit dem Schwerpunktthema »Spione« sieht schon etwas leer und traurig aus. Auch die Nachbildung der Berliner Mauer zwischen dem Stapel amerikanischer und russischer Agentenliteratur hebt meine Stimmung nicht. Vielleicht könnte ich mich ja ganz vorsichtig an diesem Tisch versuchen. Aber welches Thema soll ich wählen? Erstmal räume ich die restlichen Bücher und die kleine Mauer vom Tisch. Dann hole ich schnell einen Karton vom Dachboden und packe alles sorgfältig hinein. Nun ist der Tisch frei für neue Inspirationen. Ich blicke durch den Raum und entdecke eine wirklich schöne, weiÃe Orchidee auf der Fensterbank. Sie scheint zu leuchten und meine Aufmerksamkeit erregen zu wollen. Damit werde ich anfangen, der Rest fügt sich dann schon. Ich stelle die Orchidee auf den Tisch. Danach ist alles ganz einfach: Wie von selbst fliegen mir passende Gartenratgeber zu. Das ist aber noch ziemlich langweilig und viel zu naheliegend, finde ich. Ich schaue noch mal in den Karton auf die aussortierten Spionagebücher. War da nicht â¦? Genau! Ich fische die drei übrig gebliebenen Exemplare von »Der ewige Gärtner« heraus. Mit schlafwandlerischer Sicherheit und einem wohligen Kribbeln in den Fingern greife ich mir noch einen psychologischen Selbstfindungsratgeber, geschrieben aus der Sicht einer Orchidee, einen Erotik-Bildband, und ich finde sogar noch etwas Passendes von Charles Darwin: »Ãber die Einrichtungen zur Befruchtung britischer und ausländischer Orchideen durch Insekten und über die günstigen Erfolge der Wechselbefruchtungen«. Nun funkelt der Tisch einladend in den Farben der Cover â lila, pink und purpurrot. Ganz begeistert von meinem neu entdeckten Talent, nehme ich mir noch den Tisch vor, auf dem ein hölzerner Elefant die Stellung hält. Um ihn herum sind Tier- und Reisebücher drapiert. Ich nehme ein paar davon weg und ersetze sie durch Romane und Gehirn-Trainings-Bücher, weil Elefanten doch nie etwas vergessen. Hoffe, das ist nun nicht zu weit um die Ecke gedacht. Aber streng nach Themen geordnet sind ja schon die Bücher in den Regalen, und ich glaube, Elizabeth hat sich gedacht, dass auf den Tischen gerne Ãberraschungen auf den Kunden warten dürfen. Ich schaue mich um und bin richtig stolz auf mein Werk. Ich wette, meine Aura leuchtet jetzt strahlend indigoblau oder violett. Das hat Spaà gemacht. Ich könnte mir glatt vorstellen, das jeden Tag ⦠Stop, Tanja! Buchhändler verdienen sehr wenig Geld, und in drei Monaten willst du ja doch lieber Kinderärztin oder Kapitänin werden. Wobei ich eigentlich kein Blut sehen kann und schon bei leichtem Wellengang mein ganzes Essen dem Meeresgott als Opfer darbiete. Ich beschlieÃe einfach, aus diesem Tag das Beste zu machen, ohne gleich wieder mehr darin sehen zu wollen. Es bimmelt wieder an der Tür, und ich bin gewappnet. Jetzt, wo ich meine eigene Note in die Dekoration gebracht habe, fühle ich mich schon viel heimischer und selbstbewusster. Vielleicht hatte Lilly recht, denn von da an läuft es wie geschmiert. Zwar versäumt kein Kunde mir zu versichern, dass er bald Elizabeth wiedersehen wolle und einige betonen unentwegt, sie wäre schneller, geschickter und origineller. Aber eigentlich schlage ich mich sehr tapfer und bin beglückt, dass viele Kunden den Laden mit einem Lächeln verlassen. Besonders freue ich mich über die, die zum ersten Mal hier stöbern und, dass tatsächlich ein paar Exemplare vom Orchideen- und Elefanten-Tisch weggehen. Es gibt viel zu erledigen. Als ich irgendwann erschöpft auf die Uhr schaue, ist es bereits halb sechs. In einer halben Stunde soll ich schon schlieÃen. Schade eigentlich. Da bimmelt es auch schon wieder. Ein junger, etwas verhuschter Typ kommt rein und sieht mich unsicher
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