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Mich gibt s ubrigens auch fur immer

Mich gibt s ubrigens auch fur immer

Titel: Mich gibt s ubrigens auch fur immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seidel Jana
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quälend sie auch gewesen sein mögen, musste ich doch zugeben, dass ich nicht viel Anlass dazu hatte. In Hrithiks Armen zu liegen war immer reines, pures Glück – ohne offene Fragen. Es ist auch jetzt reines, pures Glück, korrigiere ich mich. Und ärgere mich über jede Sekunde, in der ich es nicht voll und ganz genossen, sondern den Moment mit obskuren Ängsten vergiftet habe. Er will mich heiraten. Was soll ein Mann darüber hinaus noch tun, um zu beweisen, dass er keine Zweifel hat?
    Â»Du grübelst ja immer noch.« Elizabeth lacht.
    Â»Entschuldigung«, sage ich zerknirscht. »Lass uns loslegen.«
    So gut es geht konzentriere ich mich auf den Freiraum zwischen meinen Händen, bis er sich nicht mehr ganz so leer anfühlt. Ich bin so weit, dass ich mich nicht mehr frage, ob ich wirklich einen Energieball zwischen den Händen spüre. Ich spüre ihn einfach. Begeistert strahle ich Elizabeth an – und schon entgleitet er mir.
    Â»Oh«, sage ich und schaue betrübt zu Boden, als könne ich das unsichtbare Ding dort wiederfinden. Aber immerhin klappt es immer wieder für einen kurzen Moment. Ich ziehe natürlich in Erwägung, dass ich mir das alles nur einbilde. Aber ich versuche, meine kleinen Erfolge nicht zu sehr in Frage zu stellen. Fängt man damit erst mal an, könnte ich meine Sitzungen hier auch gleich bleiben lassen. Und ich muss zugeben, dass mir der Gedanke eines für nicht jedermann sichtbares »Mehr« gefällt. Dass Menschen vielleicht wirklich eine Seele haben und nicht alles, was stirbt, für immer tot ist. Ich stelle mir immer gerne vor, wie ich mit meiner Mutter auf einer paradiesischen Wiese im Sonnenschein sitze und mit heiterer Gelassenheit von all dem Schönen und Schrecklichen, all dem Verrückten und Banalen erzähle, das mir auf Erden widerfahren ist. Ich stelle mir vor, wie sie ihre langen Haare schüttelt und lacht. Ich gehe nie auf den Friedhof. Das hat nichts mit Verdrängung oder Lieblosigkeit zu tun. Aber ich sehe und spüre sie dort einfach nicht, zwischen den gleichförmigen, klar umzirkelten Rechtecken und dem ganzen Stein. Irgendwo unter der Erde. Ich sehe sie immer nur lachend in der Sonne, um sie herum wunderbares Chaos. Wäre doch schön, wenn ich sie irgendwann so wiedersähe. Das mag alles übersinnlicher Blödsinn sein. Aber so viele Menschen glauben an
Blödsinn – daran, dass Ocker das neue Schwarz ist oder dass ein kalter Sommer bedeutet, dass der Klimawandel wohl doch kein so großes Problem sei. Man muss sich eben einfach für den Blödsinn entscheiden, mit dem man am komfortabelsten lebt. Und dann damit leben. Ich werde es trotzdem nicht an die große Glocke hängen. Würde ich mit dem Auralesen hausieren gehen, hätten die Leute gleich ein Bild von mir, in dem ich mich nicht wiederfände. Wäre Elizabeth nicht so eine elegante und humorvolle Frau, sondern besäße sie zwanzig stinkende Katzen, Räucherstäbchen und ein unwirksames Deo, hätte ich mich ganz sicher nicht auf diese Aurageschichte eingelassen. Wir sind voreingenommen, so ist das nun mal. Beweise gefällig? Nun, wer würde nicht folgende Assoziationen sofort mit mir teilen, ganz ohne die betreffenden Personen zu kennen:
    1.Lange blonde Haare, Goldohrringe, große Sonnenbrille = Tussi (siehe Melanie).
    2.Bionade + Holzspielzeug für die Kleinen + Kleid über Hose = das neue Spießertum, das sich als hippe Szenemutter in einem verfallenen, aber dennoch völlig überteuerten Stadtteil tarnt.
    3.Jeans + Jackett + bunte Turnschuhe + hippe Kastenbrille = Werbe-Fuzzi, dessen Slogans der Grund sind, dass man erst am Ende der Werbung das Kino betreten mag.
    Diese Vorurteils-Algebra ließe sich beliebig weiterführen und vermutlich sollte ich mich ergeben und mir die Haare passend zu meinen neuen magischen Fähigkeiten hexenrot färben. Aber ich möchte das Bild immer noch mitbestimmen, das man von mir hat, und nicht nur die Summe winziger Aspekte sein, die hervorragend in eine einzige Schublade passen. Deswegen erzähle ich nicht mal meinen Freunden von den Sitzungen bei Elizabeth. Obwohl das sicher einen ungerechten Mangel an Vertrauen meinerseits offenbart. Sicher würde ich für die Jungs und Mädels immer Tanja bleiben – und nie nur die sein, »die so gut kocht« oder »die den Indienknall hat«, »die sich nie entscheiden kann«,

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