Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mich gibt s ubrigens auch fur immer

Mich gibt s ubrigens auch fur immer

Titel: Mich gibt s ubrigens auch fur immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seidel Jana
Vom Netzwerk:
völlig aus dem Konzept gebracht, hilfesuchend schaue ich mich nach Juli um, die vorsichtig von meinem Vater zu mir guckt und mir dann um den Hals fällt. »Du hast mich so erschreckt, Tanja«, ächzt sie und erspart mir damit, meinem Vater antworten zu müssen.
    Hilflos sieht er uns alle an. »Ich denke, wir kehren dann wohl besser um? Vermutlich möchte niemand mehr einen Tiger sehen?«
    Ich schüttele mit dem Kopf. Ich kann ihn nicht angucken und nichts sagen, ich muss erst mal verarbeiten, was gerade passiert ist.


    A ls wir in trauter Dreisamkeit wieder in der Hütte sitzen, kann ich es gar nicht glauben, dass wir erst einen Tag hier sind und noch einen ganzen vor uns haben. Es kommt mir vor, als wären wir schon eine Ewigkeit unterwegs. Irgendwie hat sich die Zeit in dem Moment, in dem ich dachte, es wäre mein letzter, ausgedehnt.
    Eines hat sich nicht geändert: Mein Vater kommt mir vertrauter und fremder vor denn je. Ich möchte wütend auf ihn sein, um nicht über das warme Gefühl nachzudenken, das ich seit seiner Rettungsaktion habe. Ich könnte ihm vorwerfen, dass er mich einer solchen Gefahr ausgesetzt hat. Aber das wäre albern, wo ich doch eigentlich einen Tiger sehen wollte. Und das, was ich ihm für gewöhnlich vorwerfe, hat er auch nicht getan: mich im Stich gelassen. Weil ich nicht weiß, was ich tun oder sagen soll, esse ich schweigend die scharfen Bohnen aus der Dose, die Kurt für Juli und mich zubereitet hat. Das heißt, eigentlich stochere ich nur so darin herum. Auch mein Vater scheint keinen Appetit zu haben. Nachdenklich schaut er in meine Richtung. So lange, dass ich weggucken muss.
    Die Spannung zwischen uns ist anscheinend so greifbar, dass Juli sich rasch wegduckt: »Ich muss ins Bett. Esst ihr aber noch in Ruhe auf.« Ihr Gähnen klingt nicht sehr überzeugend. Dann ist sie verschwunden. Ich schaue beharrlich auf die Kerze auf dem Esstisch. Wild entschlossen, nicht den ersten Schritt zu machen. Wer hat schließlich diese weite Reise auf sich genommen? Genau, ich. Nun ist er mal an der Reihe. Das scheint er zu merken. Er räuspert sich.
    Â»Erinnerst du dich noch an die Sache mit dem Hai?«
    Ich nicke.
    Â»Dich schreien zu hören, war schrecklich.«
    Wir betreten gefährliches Terrain. Sicher hat er auch noch den erschreckten Aufschrei meiner Mutter im Ohr, als sie nach ihrem brüllenden Kind Ausschau gehalten hat. Nachdem mein Vater mich aus dem Wasser gezogen hatte, war sie diejenige, die mich getröstet hat. Obwohl ich ganz sicher nichts davon laut gesagt habe, ist es, als hätte mein Vater mich gehört. »Manche Dinge konnte sie einfach besser.«
    Ich hätte nicht gedacht, dass das »sie« aus seinem Mund so ein Schock für mich wäre. Irgendwann musste es ja fallen.
    Mir fällt auf, wie lange ich nicht mehr über meine Mutter gesprochen habe, fast als hätte sie nie existiert. Nun sitze ich dem einzigen Mann gegenüber, den ich kenne, der sie lebendig erlebt hat und sie mindestens so geliebt hat wie ich. Wäre er nicht der perfekte Gesprächspartner? Ich bin ganz kurz davor, zusammenzubrechen und mit ihm »darüber« zu reden. Aber ich habe Angst, dass ich dann nicht mehr aufhören würde zu heulen.
    Â»Es tut mir so leid«, sagt mein Vater traurig. Das ist zu viel, mir fällt nur noch eine Möglichkeit ein, mich zu retten – der Angriff nach vorne.
    Â»Was genau tut dir leid?«, frage ich leise. »Dass du nicht so ein guter Tröster bist oder dass du mich im Stich gelassen hast?« Schnell springe ich auf und laufe weg in mein Schlafzimmer. Ich werfe mich neben Juli, die natürlich noch nicht schläft.
    Â»Was«, setzt sie an, doch ich unterbreche sie sofort. »Nicht jetzt!«
    Schweigend liegen wir nebeneinander. Ich weiß, dass ich Kurt gerade sehr verletzt habe. Aber er sollte es wegstecken können, schließlich ist er erwachsen, denke ich trotzig. So wie ich, ermahne ich mich. Was hat mich nur geritten, hierherzukommen?
    î€µ
    A m nächsten Morgen sitzen wir alle verlegen beieinander am Frühstückstisch. Wie so oft zuvor ist es Juli, die versucht, die Situation zu retten. Eigentlich hat sie eine Medaille verdient, die Gute.
    Â»Sollten wir uns dann jetzt nicht langsam mal ein paar Namen überlegen?« Mit gespielter Begeisterung klatscht sie in die Hände.
    Â»Stimmt, machen wir das«, sagt Kurt

Weitere Kostenlose Bücher