Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt
waren. Aber ein türkisches Mädchen darf erst nach der Hochzeitsfeier mit ihrem Mann schlafen. Die Brautleute mussten einen genauen Fahrplan einhalten, erst dann waren sie Mann und Frau. Verärgert ließ er mich los und drehte sich um. Minuten später hörte ich ihn tief atmen. Er war eingeschlafen. Gott sei Dank.
Am nächsten Morgen wachte ich wie betäubt auf. Ich fühlte mich wie gerädert. Im ersten Moment wusste ich nicht, wo ich war. Da sah ich Mustafa neben mir und die Kinder in ihren Stockbetten liegen und erinnerte mich plötzlich. Ich war in Deutschland. Ich war nicht mehr zu Hause in Ballidere. Meine anne war nicht da, sie war weit, weit weg. Tränen schossen mir in die Augen. Ich konnte nichts dagegen tun, sie liefen einfach. Und mein Herz tat mir weh. > Anne, anne <, schrie es innerlich in mir, >wo bist du?< Aber sie war nicht da, sie konnte mich nicht einmal hören. »Sie sitzt am Flughafen und wartet auf dich«, versuchte mich eine innere Stimme zu beruhigen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie ins Dorf zurückgefahren war und ihr Leben so weitergehen würde wie bisher. Ich weinte leise vor mich hin und beruhigte mich langsam. Mustafa rekelte sich und wachte auf. Er sah meine Tränen, reagierte aber nicht. Irgendwie schaute erdurch mich hindurch. Da stand auch schon die Tante in der Tür. »Günaydın« , rief ich. »Guten Morgen«, brummte sie zurück, »komm, steh auf, wir müssen arbeiten.« Heute war sie freundlicher gestimmt. Sie lächelte mich an und schien sich über ihre kız , ihre Tochter zu freuen.
Ich stand auf und ging auf die Toilette. Was für ein Anblick! Ein schmaler, rechteckiger Raum, hinten oben ein kleines Fenster, blaue Fliesen an der Wand und in der Mitte dieser komische Sitz aus weißem Porzellan. Aber anstatt eines Sitzbalkens hatte dieses Klo eine runde Öffnung mit einem Deckel oben drauf. ›Ah, das musste eins von diesen Wasserklosetts sein, die ich schon in Istanbul am Flughafen gesehen hatte.‹ Aber dort hatte ich es nicht so richtig bestaunen können. Jetzt hatte ich genug Zeit. Vorsichtig setzte ich mich drauf. Das war ein komisches Gefühl. Ein Leben lang hatte ich nur Plumpsklos gekannt. Die Toilette gefiel mir. Als ich fertig war, überlegte ich, wie es jetzt wohl weiterginge. Bis ich schließlich die Schnur entdeckte. Weiter oben an der Wand hing ein weißer Kasten mit einer Schnur. Ich zog daran und schon floss das Wasser. Was für ein Luxus!
Jetzt war ich wieder guter Dinge. Mein Heimweh hatte ich vergessen, für den Moment zumindest. Also begab ich mich in die Küche. Die Schwiegereltern, die ich jetzt » Mutter « und » Vater « nennen sollte, waren beide schon aufgestanden. Und Mutter hatte gerade das Bettzeug unter der Couch verstaut und diese dann zusammengeklappt. Ich beobachtete sie interessiert. Sie drehte sich zu mir um und wies mich an, Tee zu kochen und Eier zum Braten vorzubereiten. Ich füllte den Semaver mit Wasser. Dabei wurde die untere große Kanne mit Wasser gefüllt und auf den Herd gestellt. In die obere, kleinere Kanne schüttete ich Tee. Wenn das Wasser kochte, würde ich den Tee aufbrühen und auf die größere Kanne draufstellen. So würden wir den ganzen Tag über heißen Tee haben.
Nachdem das erledigt war, öffnete ich einen Schrank. Ein Licht ging an, und aus dem Inneren strömte kühle Luft, so dass ich Gänsehautbekam. ›Komisch‹, dachte ich, und machte schnell die Tür wieder zu. »Was ist das?«, fragte ich die Schwiegermutter.
»Das ist ein Kühlschrank, Tochter . Da bewahren wir die Sachen auf, die kalt gehalten werden müssen.«
Ich machte also die Tür wieder auf und fand Eier, Butter, Käse, Joghurt, Tomaten, Paprika und Gurken. All diese Lebensmittel musste sie von zu Hause mitgebracht haben, denn Einkaufen war noch niemand gewesen.
Ich holte alles raus, was wir fürs Frühstück brauchten, und deckte den Tisch. In der einen Ecke, schräg gegenüber von der Küchenzeile, stand ein großer, rechteckiger Tisch mit einer Eckbank und einigen Stühlen drum rum. Acht Leute fanden hier bequem Platz. Es sah gemütlich aus. Neben der Tür stand das große Sofa mit einem kleinen Couchtisch davor. Die Schwiegermutter stand inzwischen am Herd und briet Spiegeleier. Das war auch neu für mich. Sie brauchte zum Kochen kein Feuer zu machen, so wie anne daheim, sondern einfach die Pfanne auf eine schwarze Platte zu stellen und einen Knopf rumzudrehen. Dass sie heiß wurde, erkannte ich daran, dass die Butter in der Pfanne
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