Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc
weiter, ein klappernder Fensterladen –, und als es Zeit war, tat ich, als ginge ich zu Bett wie an jedem anderen Abend. Licht im Wohnzimmer aus. Licht in der Küche an. Die Zielperson, dank nicht zugezogener Vorhänge deutlich zu
erkennen, trinkt ein Glas Wasser am Hahn. Licht in der Küche wieder aus, Licht im Bad an. Licht im Bad aus, Licht im
Schlafzimmer an. Licht im Flur aus. Licht im Schlafzimmer aus, nur Nachttischlampe brennt noch, wird nach etwa fünf Minuten schließlich ausgeschaltet. Zielperson hat sich schlafen gelegt. Keine besonderen Vorkommnisse.
311
Ich war nicht in Gefahr, versehentlich einzuschlafen.
Innerlich vibrierend lag ich voll bekleidet im Dunkeln auf dem Bett, starrte an die Decke und überlegte, wann meine Bewacher merken würden, dass ich nicht mehr da war. Ab wann es ihnen seltsam vorkommen würde, dass ich nicht aus dem Haus kam.
Ich konnte nachher die Vorhänge im Wohnzimmer vorsichtig aufziehen; bei Nacht fiel das nicht auf, aber morgen früh würde es den Anschein erwecken, ich sei bereits aufgestanden, und da ich mich in den letzten Tagen manchmal auch erst spät hatte blicken lassen, würden sie mit etwas Glück vor dem
Nachmittag nichts merken, und da würde ich schon weit weg sein.
Es war machbar. Es galt, den Dienstag zu überstehen und
den Mittwoch... Ich wusste nicht einmal, wann der Kongress in Dublin begann. Morgens? Oder erst abends? Keine Ahnung.
Wahrscheinlich konnte man da auch nicht so einfach
hineinspazieren. Aber das würde Finnan zweifellos regeln, kein Grund, mir Sorgen zu machen. Alles, worum ich mir Sorgen machen musste, war, rechtzeitig am vereinbarten Treffpunkt zu sein.
So lag ich da und starrte ins Dunkel, das Dämonen gebar. In dem Bemühen, nicht an das zu denken, was vor mir lag, stießen meine Gedanken auf die Erkenntnis, dass das, was wir
vorhatten, nichts weniger war als der Versuch, die Vereinigten Staaten von Amerika in die Knie zu zwingen. Hier drei
gewöhnliche Sterbliche – gut, einer nicht ganz so gewöhnlich, aber zweifellos sterblich –, dort die größte militärische, politische und wirtschaftliche Macht, die dieser Planet jemals gesehen hat. Und alles, was wir aufzubieten hatten gegen Panzerarmeen, Langstreckenbomber und Atom-U-Boote,
waren Argumente und die Hoffnung auf eine entrüstete
Öffentlichkeit. Der Gedanke an dieses ungleiche Kräftemessen 312
verursachte höchst eigentümliche Krämpfe in meinem Bauch; ich war mehrmals der festen Überzeugung, dass es nun passiert sein musste: dass die Nuklearbatterie durchgerostet war und eine hoch radioaktive Substanz geheimer Zusammensetzung in meinen Bauchraum sickerte.
Nicht daran denken. Am besten überhaupt nichts denken. Es gab nichts mehr zu planen, nichts mehr abzuwägen, gar nichts.
Es war beschlossene Sache, dass das Leben, das ich bisher geführt hatte, heute Nacht enden würde, egal wie. Daran gab es nichts mehr zu überlegen.
Ich habe schon einmal den Beschluss gefasst, mein Leben
radikal zu ändern, damals, 1994, als mich die Nachricht vom Tod Mrs Magillys erreichte, der Mieterin des Hauses, das mir in Irland gehörte. Entgegen den Empfehlungen meines
Führungsoffiziers Major Reilly, der sehr um seine baldige Beförderung zum Colonel besorgt war, schrieb ich an die für vorzeitig im Ruhestand befindliche Soldaten zuständige Stelle des Verteidigungsministeriums, wurde zu einem Gespräch
nach Washington eingeladen und bekam die schriftliche
Erlaubnis, mich in Irland niederzulassen.
Wir hatten noch über ein Jahr im Steel Man Hospital
verbracht, mehr oder weniger sinnlos abwartend, was den bald in monatlichen Abständen neu ernannten Projektleitern einfiel.
Es gab Gespräche darüber, einzeln, wie wir uns unsere Zukunft wünschten. Doch fast alles, was wir uns wünschten, wurde abgelehnt. Wir sagten, na ja, wir würden gerne tun, wofür wir gebaut wurden. No chance, hieß es. Eine Rückkehr zu den regulären Streitkräften kam gleichfalls nicht infrage.
Geheimhaltungsprobleme. Schließlich fiel die Entscheidung, das Projekt einzustellen und uns in den Ruhestand zu
versetzen. Befehl von Präsident Bush persönlich.
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Innerhalb von Tagen gingen die Lichter im Stützpunkt aus.
Wir wurden schließlich auch fortgebracht, durften uns auf einem Parkplatz vor der Stadt voneinander verabschieden und unsere Seesäcke dann in bereitstehende Autos laden, jeder in ein anderes. Niemand wusste, wohin der andere ging. Mich brachten sie zurück in die Nähe von
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