Midkemia Saga 02 - Der verwaiste Thron
kämpfte hart, um ein paar große Kisten zu stapeln, die fertig waren, um in den Wagen verladen zu werden. »Ich denke, sie würde sich über ein wenig Hilfe freuen.«
Pugs Verwirrung spiegelte sich auf seinem Gesicht. »Was… ?«
Laurie stieß ihm sanft in die Rippen. »Los, Alter. Ein bißchen Hilfe jetzt, und später… wer weiß!«
Pug stolperte davon. »Später?«
»Himmel!« stöhnte Laurie lachend und versetzte Pug einen spielerischen Tritt.
Der Humor des Troubadours war ansteckend, und Pug lächelte, als er sich dem Mädchen näherte. Sie versuchte gerade, eine große Holzkiste auf eine andere zu hieven. Pug nahm sie ihr ab.
»Laß nur. Das kann ich doch machen.«
Unsicher trat sie zurück. »Sie ist nicht schwer. Bloß zu hoch für mich.« Sie sah überall hin, nur nicht auf Pug.
Pug hob die Kiste mit Leichtigkeit auf die anderen. Dabei nahm er kaum Rücksicht auf seine kranke Hand. »Das hätten wir«, sagte er, als wäre es ganz nebensächlich.
Das Mädchen strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Du bist ein Barbar, nicht wahr?« fragte sie zögernd.
Pug zuckte zusammen. »Ihr nennt uns so. Ich denke, daß ich genauso zivilisiert bin wie jeder andere Mann hier.«
Sie errötete. »Ich wollte dich nicht beleidigen. Auch mein Volk nennt man Barbaren. Jeder, der nicht Tsurani ist, wird so genannt. Ich wollte nur sagen, daß du aus einer anderen Welt stammst.«
Pug nickte. »Wie heißt du?«
»Katala«, erwiderte sie zögernd und fügte dann hastig hinzu: »Und du?«
»Pug.«
Sie lächelte. »Das ist ein merkwürdiger Name. Pug.« Der Klang schien ihr zu gefallen.
In diesem Augenblick bog der Hadonra, Septiem, ein alter, aber noch immer aufrechter Mann mit der Haltung eines pensionierten Generals, ums Haus. »Ihr beiden da!« bellte er. »Es gibt Arbeit genug! Steht hier nicht herum!«
Katala lief ins Haus zurück. Pug blieb zögernd vor dem gelbgewandeten Verwalter zurück. »Du!
Wie heißt du?«
»Pug, mein Herr.«
»Wie ich sehe, hat man dir und deinem blonden Riesenfreund nichts zu arbeiten gegeben. Das werde ich ändern. Ruf ihn herbei.«
Pug seufzte. So viel zu ihrer freien Zeit. Er winkte Laurie, daß er herbeikommen sollte, und man trug ihnen auf, Wagen zu beladen.
Landsitz
In den letzten drei Wochen war es kälter geworden.
Doch noch immer deutete alles auf die Hitze des Sommers hin. Der Winter, wenn man ihn überhaupt so nennen konnte, dauerte in diesem Land nicht länger als knappe sechs Wochen und brachte nur kurze, kalte Regen aus dem Norden. Die Bäume behielten den Großteil ihrer blaugrünen Blätter, und nichts zeigte an, daß der Herbst verstrichen war. In den vier Jahren, die Pug in Tsuranuanni gelebt hatte, konnte er keines der vertrauten Anzeichen für die verschiedenen Jahreszeiten bemerken: keine Vogelwanderungen, keinen Frost am Morgen, keinen Regen, der gefror, keinen Schnee, auch nicht das Knospen wilder Blumen. Dieses Land schien sich immer im ewigen Sommer zu befinden.
Die Shinzawai-Karawane näherte sich den Grenzen des Familienbesitzes im Norden. Pug und Laurie hatten unterwegs nur wenig zu tun gehabt. Nur ab und zu erhielten sie kleine Aufgaben: Sie mußten die Kochtöpfe reinigen, den Kot der Needras fortschaffen und Vorräte auf- und abladen.
Jetzt fuhren sie hinten auf einem Wagen mit. Ihre Beine baumelten über den Rand. Laurie biß genüßlich in eine reife Jomach-Frucht. Er spuckte die Kerne aus und fragte: »Was macht deine Hand?«
Pug musterte seine Rechte und untersuchte die rote Narbe, die über die ganze Handfläche verlief.
»Immer noch steif. Ich glaube, besser wird sie nie heilen.«
Laurie warf einen Blick darauf. »Glaube kaum, daß du je wieder ein Schwert halten wirst.« Er grinste.
Pug lachte. »Du wohl auch nicht. Jedenfalls glaube ich nicht, daß sie für dich einen Platz bei der Kaiserlichen Garde finden werden.«
Laurie spuckte einen Schwall Kerne aus. Sie tanzten auf der Nase der Needra, die den Wagen hinter ihnen zog. Das sechsbeinige Tier schnaubte, während der Fahrer wütend mit seinem Stock fuchtelte. »Merke dir eines, mein lieber Freund«, erklärte Laurie in hochmütig-aristokratischem Ton, »wir Troubadoure werden oft von Männern bedrängt, die weniger vornehm sind, von Räubern und Halsabschneidern zum Beispiel, die es auf unser schwer verdientes Geld abgesehen haben – so selten die auch sein mögen. Wenn man nicht beizeiten lernt, sich selbst zu verteidigen, dann bleibt man nicht lange im Geschäft.
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