Midnight Angel: Dunkle Bedrohung (German Edition)
zehn Pferde würden ihn von ihr wegbringen. Während der ganzen Fahrt durch die Stadt hatte er überlegt, mit welcher Ausrede er bei ihr bleiben und sie vielleicht wieder in seine Arme kriegen könnte.
Er war ein guter Stratege; die taktische Planung eines Einsatzes fiel ihm leicht. Und diesen hatte er sich schon zurechtgelegt.
Er würde ihr Tee kochen, sich dabei Zeit lassen, ihr vielleicht sogar etwas zu essen machen. Anführen, dass er bei ihr bleiben müsse, um zu beobachten, ob sie doch eine Gehirnerschütterung hatte. Sagen, dass er sich einfach auf die Couch legen werde.
Und abwarten, was am nächsten Morgen geschähe. Ob sie sich noch mal küssen ließe. Der Kuss hatte ihn umgehauen. Vielleicht wäre sogar noch mehr drin.
Wie sich jetzt herausstellte, war nichts von alldem nötig, und der Grund dafür war seine eigene verfluchte Begriffsstutzigkeit. Weil er sie einfach abgestellt und allein gelassen hatte, um die Harfe zu holen, hatte sie Ängste ausgestanden. Dabei hatte er nur so schnell wie möglich wieder bei ihr sein wollen.
Da hatte er mal wieder ein Brett vorm Kopf gehabt. Er hatte glatt vergessen, dass sie blind war, dass sie nicht wissen konnte, wo er sie abgesetzt hatte. Was dachte er sich eigentlich? Er konnte sie nicht irgendwo hinstellen und verschwinden. Sie hatte sich keinen Zentimeter von der Stelle bewegt, während er draußen gewesen war.
War ihm eingefallen, ihr zu sagen, wo sie stand? Nö. Er hatte es zu eilig gehabt. Mit welchem Ergebnis? Sie hatte sich hilflos gefühlt. Hätte es ihn etwas gekostet, sie zu informieren? Gar nichts. Er hätte nur zu sagen brauchen: Du stehst neben der Couch, rechts ist das Sitzkissen, vor dir der Couchtisch.
Verdammt, sie hätte über das Sitzkissen auf die Glasplatte fallen können. Sich womöglich das Gesicht aufgeschlagen. Ihm stockte das Blut bei dem Gedanken, und unwillkürlich schloss er sie enger in die Arme.
Sie schob die Hände unter der Decke hervor, um ihn zu umarmen. Es haute ihn wirklich um, wie sie auf ihn ansprang, wie sie jede seiner Bewegungen erwiderte.
»Du zitterst « , stellte er fest, und sie nickte an seinem Hemd. Sie schauderte in kurzen Abständen. Nicht vor Kälte. Das Haus war geheizt, und sie war dick eingepackt. »Das ist eine Stressreaktion .«
»Wirklich ?« , murmelte sie.
»Ja. Das geht vorbei. Ist nur nicht besonders angenehm .«
Das hatte er schon oft erlebt, diesen Tremor nach Gewalterlebnissen. Sie war tapfer gewesen, bewundernswert tapfer,wennman die Umstände bedachte, und bisher war sie nicht zusammengeklappt, aber die Stresssymptome zeigten sich allmählich. Sie zitterte. Als Nächstes kämen wahrscheinlich die Tränen.
Das war krass. Physiologie, Grundkurs. Stresshormone werden via Tränenkanal ausgeschwemmt.
Seine Männer weinten nicht nach dem Kampfeinsatz. Gewöhnlich betranken sie sich bis zur Bewusstlosigkeit, fingen eine Prügelei an oder fickten, bis sie wieder normal waren, sofern eine Frau verfügbar war. Wenn nicht, tat es auch die Prügelei.
Kowalski hatte alles ausprobiert, um den Stress loszuwerden, außer Tränen. Ficken, Saufen, Prügeln, Wichsen. Einmal nach einem besonders üblen Feuergefecht, in dem er vier Leute verloren hatte, hatte keines der üblichen Mittel auch nur die geringste Wirkung gezeigt. Darum hatte er sich in die Trainingsklamotten geworfen und war die ganze Nacht gerannt. Der Stützpunkt hatte einen drei Meilen langen Hindernisparcours, und den absolvierte er immer wieder, bis seine Beine Mus waren, der Schweiß im Schritt brannte und jedes Luftholen in die Lunge schnitt. Er rannte, bis sich der Himmel rosa färbte, dann lief er zurück, haute sich in die Koje und starrte an die rissige Holzdecke, bis um sechs Uhr der militärische Arbeitstag begann.
Prügeln, Saufen, Sex … Er wusste genau, was er davon jetzt wollte, und wenn er sie nicht sofort losließ, würde er ihr gleich gegen den Magen stupsen.
Er trat neben sie, behielt aber einen Arm um ihre schmale Taille. Links auf einem Sideboard stand eine schöne Auswahl irischer Whiskys. »Sehe ich da etwa Irlands beste Spezialitäten auf dem Sideboard ?« , fragte er mit Corker Akzent.
»Genau die .« Allegra zog die Nase hoch. »Möchtest du vielleicht ein Schlückchen ?«
»Und ob ich das will « , sagte Kowalski mit Inbrunst. Ein Whisky war jetzt genau das Richtige. Vielleicht würde ihn das so weit dämpfen, dass er seinen Schwanz unten halten konnte.
Allegra wandte ihm das Gesicht zu und schenkte ihm ein
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